München · Bundesliga

Basketballer kehren ins Rampenlicht zurück

Zehn Klubs spielen in einem dreiwöchigen Turnier in München die Meisterschaft aus. Ein ambitioniertes Unterfangen, das Aufmerksamkeit bringt.

06.06.2020

Von SEBASTIAN SCHMID

Bundesliga-Urgestein Rickey Paulding will mit Oldenburg „Corona-Meister“ werden. Foto: Uwe Koch/Eibner-Pressefoto

Bundesliga-Urgestein Rickey Paulding will mit Oldenburg „Corona-Meister“ werden. Foto: Uwe Koch/Eibner-Pressefoto

München. Stefan Holz ist eigentlich ein Werbefachmann. Bevor er 2015 Geschäftsführer der Basketball-Bundesliga (BBL) wurde, war er als Werbeunternehmer und Unternehmensberater tätig. Dass ausgerechnet ihm kurz vor dem Start des Meisterschaftsturniers ein PR-Desaster unterläuft, hatte niemand erwartet. Doch mit seinem Verbot an die Spieler, während der Veranstaltung mit politischen Aussagen Stellung gegen Rassismus zu beziehen, sorgte Holz für reichlich Negativ-Schlagzeilen – und viel Kopfschütteln.

Vor dem Auftakt der einmaligen Veranstaltung im Münchener Audi-Dome, die heute mit der Geister-Partie Göttingen gegen Crailsheim (16.30 Uhr/alle Spiele bei Magenta Sport) beginnt, ruderte die Liga zurück. Die Spieler werden keine Sanktionen erhalten, sollten sie sich gegen Rechts positionieren. Zudem wird die Liga selbst ein Zeichen gegen Rassismus setzen. „Wir werden die Haltung der BBL noch einmal deutlich adressieren“, so Holz.

Das Aufheben um dessen umstrittenes Verbot, das er im Nachhinein „so nicht mehr treffen würde“, zeigt, dass der Plan aufgeht. Mit der Wiederaufnahme des Spielbetriebs wollte sich die Liga ins Rampenlicht stellen und dem Basketball in Deutschland zu einem Popularitätsschub verhelfen. Von den großen Ligen sind momentan sonst nur die Fußballer aktiv. Das gesteigerte Interesse lässt sich die BBL was kosten und investiert in das dreiwöchige Turnier eine Million Euro. Das scheint sich auszuzahlen. „Wir stellen fest, dass wir eine hohe Aufmerksamkeit haben, dass wir eng begleitet werden“, sagte Geschäftsführer Holz.

Der Aufwand, den die Liga und die Klubs dafür betreiben, ist enorm. 35 Spiele finden vom 6. bis zum 28. Juni statt. Die Veranstaltung ähnelt einem WM-Turnier, mit Vorrunde und K.o.-System. Ab dem Viertelfinale werden Hin- und Rückspiele ausgetragen, allerdings alles im Münchner Audi-Dome. Damit das alles möglich ist, sind die zehn teilnehmenden Vereine – sieben Erstligisten beendeten freiwillig die Saison vorzeitig – in einem Vier-Sterne-Hotel in München untergebracht.

In einem 50-seitigen Hygienekonzept wurden die Abläufe genau festgelegt. Die Tage im Hotel sind streng durchgetaktet, damit die Spieler keinen Kontakt zu Angestellten haben. Den Akteuren der einzelnen Teams, die sich bereits vor dem Umzug nach München an strenge Hygieneregeln halten mussten und regelmäßig auf Covid-19 getestet wurden, ist der Kontakt untereinander erlaubt. Damit dürfte zumindest ein Stück weit dem drohenden Lagerkoller vorgebeugt sein.

Keine Fortsetzung der Saison

Über den Stellenwert des „Corona-Meistertitels“ sind sich die beteiligten Protagonisten uneins. So hatte Nationalspieler Andreas Obst (Ratiopharm Ulm) berichtet, dass in Spielerkreisen „vom Corona-Cup-Gewinner oder dem Turnier um das Goldene Toilettenpapier“ gesprochen worden war. BBL-Geschäftsführer Holz empfindet das anders: „Ich sehe im Ranking auf keinen Fall ein Sternchen, das die deutsche Meisterschaft 2020 relativiert.“ Oldenburgs Trainer Mladen Drijencic geht sogar noch einen Schritt weiter: „Fakt ist: Es ist ein Turnier, und du musst in einem kurzen Zeitraum top vorbereitet sein. Für mich ist dieser Titel sogar mehr wert als in der regulären Saison.“

GRAFIK SCHERER / QUELLE: DPA Foto: GRAFIK SCHERER / QUELLE: DPA

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Allerdings sind nach der Pause, die Mitte März begann, nicht alle Akteure zu ihren Mannschaften zurückgekehrt. Deshalb kann nicht nur angesichts der reduzierten Klubanzahl von der Fortsetzung der Saison keine Rede sein, sondern es handelt sich um eine eigenständige Veranstaltung. Die Favoriten sind trotzdem die altbekannten Namen: Titelverteidiger und Gastgeber Bayern München und Pokalsieger Alba Berlin werden die größten Chancen eingeräumt, sich beim Finalturnier den wohl einmaligen Titel des Corona-Meisters zu sichern.

Auch die NBA will wieder spielen

Bundestrainer Henrik Rödl ist aber nicht der Einzige, der dem Event einiges an Überraschungspotenzial beimisst. „Die Vorbereitung war kurz, die Kader sind neu zusammengestellt, der Rhythmus mit Spielen alle zwei Tage ist interessant – da wird es sicherlich das eine oder andere unerwartete Ergebnis geben.“ Da im Vorfeld keinerlei Testspiele möglich waren und fast alle Teams erst seit wenigen Tagen gemeinsam in der Halle trainieren dürfen, ist die Spannung vor dem Auftakt bei allen Beteiligten groß.

Zwar warnt Holz, dass man noch nicht „am Ziel ist. Es gibt natürlich Risiken. Wir haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass unser Konzept keine 100-prozentige Sicherheit vor Infektionen gewährleisten kann.“ Doch das Wagnis musste die Liga laut Bayern Münchens Präsidenten Herbert Hainer eingehen: „Dieses Finalturnier bringt uns wieder ins Bewusstsein der Bevölkerung zurück“, sagte er dem Nachrichtenmagazin „Focus“. „Alle anderen Sportarten und auch die NBA schauen jetzt auf uns.“ Die amerikanische Profiliga hat sich am Freitag ebenfalls auf eine Fortsetzung geeinigt. 22 der 30 Mannschaften werden ab dem 31. Juli in Disney World (Orlando/Florida) um den Titel kämpfen. Bis dahin hat die Bundesliga das Interesse der Basketball-Fans für sich alleine.