In den eigenen Korb getroffen

Basketball:Walter Tigers stellen nach 71:59 das Spielen ein und verlieren noch 79:83

Als Garlon Green per Dreier das 71:59 markiert hatte, sahen die Walter Tigers gestern in Braunschweig wie der sichere Sieger aus. Dachten sie wohl auch selbst, und taten in den verbleibenden acht Minuten nichts mehr. Prompt ging das Spiel noch 79:83 (44:38) verloren – mit einer Slapstick-Einlage in der Schluss-Sekunde.

14.12.2015

Von Hansjörg Lösel

Enttäuschung pur: Trainer Igor Perovic und Garlon Green, dem in der Schlussphase ein Eigenkorb unterlief.Archivbild: Ulmer

Enttäuschung pur: Trainer Igor Perovic und Garlon Green, dem in der Schlussphase ein Eigenkorb unterlief.Archivbild: Ulmer

Braunschweig. Es gibt kein Eigentor im Basketball – doch die Walter Tigers Tübingen haben gestern in Braunschweig eines der kapitalen Sorte geschossen. Als Mannschaft, aber auch in Person von Garlon Green. Der hatte zwar mit einigen Dunks wieder die Highlight-Videos produziert, wurde aber in der Schlussphase zum tragischen Helden: Zunächst realisierte er beim 81:79 für Braunschweig offenbar nicht, dass die Uhr gnadenlos Richtung Schluss-Sirene tickte und nur noch wenige Sekunden verblieben – Green bekam jedenfalls keinen kontrollierten Wurf mehr zustande, sein Ballverlust war der sechste Tübinger Turnover im Schlussviertel. Nach dem Foul an Lukas Gertz waren noch 0,4 Sekunden auf der Uhr. Der Braunschweiger vergab beide Freiwürfe – nach der zweiten Niete flog Green ein und tippte die Kugel ins eigene Netz. Zwei Punkte für Braunschweig, da es im Basketball-Reglement wie erwähnt keinen Eigenkorb gibt, gingen die Zähler auf das Konto von Löwen-Kapitän Needham.

Mit nun noch 0,3 Sekunden auf der Uhr hatte Tübingen nochmals Einwurf. Die Partie war verloren, doch Jared Jordan fand noch Garlon Green, der per Tip-In vollendete. Nach längeren Diskussionen und intensivem Studium des Video-Mitschnitts erkannten die Referees den Treffer aber nicht an. Ein schnödes Ende, das irgendwie passte zu diesem völlig verkorksten Schluss-Auftritt der Tigers.

„Frustrierend“, sagte der Tübinger Manager Robert Wintermantel, „wir haben lange Zeit guten Basketball gezeigt und streckenweise stark verteidigt, wie ich finde – umso ärgerlicher ist es, dass man sich dann noch um die Früchte der Arbeit bringt.“ Aus Tübinger Sicht besonders bitter, dass die Partie deutliche Parallelen zur Niederlage gegen Gießen aufwies: Vor einer Woche hatten die Tigers in einem unterirdischen dritten Viertel alle Chancen verspielt, gestern leisteten sie sich unerklärliche Aussetzer in der Schluss-Phase.

„Das trifft einen schon, wenn man weiß, dass es in der Hinrunde nicht mehr so viele Chancen gibt“, sagte Wintermantel. Das Tübinger Programm der nächsten Wochen ist in der Tat knüppelhart: Am Wochenende geht es zu Alba Berlin, am 23. Dezember kommt Bonn, es folgen die Auswärtsspiele in Ulm (27. Dezember) und Oldenburg (2. Januar) sowie die dicken Heim-Brocken München (30. Dezember) und Ludwigsburg (16. Januar).

Gestern ließen die Tigers die große Chance liegen, ein gemütliches Punkte-Polster für diese harten Wochen anzulegen. Vor 2800 Zuschauern in der nur zur Hälfte gefüllten VW-Arena dominierten die Tigers zu Beginn, führten schnell 11:4. Braunschweig traf zu Beginn wenig, verwandelte im ersten Viertel keinen einzigen Dreier. Dank Bundesliga-Topscorer Keaton Grant mussten die Braunschweiger aber nie ganz abreißen lassen, mehr als zwölf Punkte betrug die Führung nie. Beim 29:29 gelang erstmals der Ausgleich, doch die Tigers zeigten sich unbeeindruckt und legten erneut vor. Als nach der großen Pause zunächst Mihailovic fünf Punkte in Serie einstreute und Buford sowie Green aus der Distanz trafen, war der Vorsprung wieder zweistellig (55:45). Beim Korb zum 57:45 gelang Tübingen die beste Offensiv-Aktion des Tages, als Green nach einer Stafette über Radosavljevic, Buford und Jordan erfolgreich war. Tübingen zeigte Team-Basketball, der dritte Auswärts-Sieg in Folge war greifbar nahe – doch wie zerbrechlich das Gebilde ist, zeigten die letzten Minuten. Nach Greens Dreier zum 71:59 stellten die Tübinger das Basketball-Spielen komplett ein, das Selbstvertrauen wich plötzlich Verunsicherung – als ob jemand den Stecker gezogen hätte. Von der Trainerbank kamen ebenfalls keine Impulse: Wie sein Gegenüber Korner war auch der Igor Perovic gestern erkrankt, der Tigers-Cheftrainer versuchte trotzdem zu coachen. Doch in der zweiten Hälfte saß Perovic saß meist auf einem Stuhl, Assistent Jens Leutenecker gestikulierte wild an der Seitenlinie. Die achteinhalb Minuten Tiefschlaf zum Ende konnte auch er nicht verhindern. „Wir waren zu locker im letzten Viertel“, sagte Bogdan Radosavljevic. Zu früh gefreut.

Ex-Tiger jubeln, Braunschweig siegt auch ohne Chefcoach

Gleich drei Ex-Tigers trafen gestern auf Tübingen: Tyrone Nash, Kenny Frease und Nicolai Simon durften am Ende jubeln. Größten Anteil am Braunschweiger Erfolg hatte Nash, der am Ende 16 Punkte erzielte – sechs davon hintereinander zum 74:76 aus Braunschweiger Sicht. Frease verlor das Center-Duell gegen Bogdan Radosavljevic nach Punkten, lieferte aber insgesamt ordentliche Statistiken ab. Nicolai Simon fand nicht wirklich in die Partie, seine einzigen Punkte markierte er zum 59:68 aus Braunschweiger Sicht – zu dem Zeitpunkt schien Tübingen noch auf dem besten Weg zum Sieg.

Auf der Trainerbank musste Braunschweig gestern improvisieren: Cheftrainer Raoul Korner war erkrankt und blieb mit Fieber zu Hause, für ihn übernahm Assistenz-Coach Lars Masell.