Ordnungshüter am Baggersee

Bald kassiert in Kirchentellinsfurt die „See-Curity“ deftige Bußgelder

Für wildes Grillen oder Nacktbaden sind künftig mindestens 100 Euro fällig: Kirchentellinsfurt setzt die Polizeiverordnung nun mit Hilfe eines privaten Sicherheitsdienstes durch.

09.06.2017

Von Philipp Koebnik

Die Baggersee-Sünden auf einen Blick. Zeichnung: Sepp Buchegger

Die Baggersee-Sünden auf einen Blick. Zeichnung: Sepp Buchegger

Das Schilf ist zur Seite und zu Boden gedrückt. Hier und da finden sich Reste unerlaubter Grillstellen. Und vielfach führen Trampelpfade durchs hohe Gras oder die Wäldchen am Uferrand. „Sie können Verbote erlassen und Schilder aufstellen wie sie wollen – die Leute machen’s trotzdem“, klagt Alexander Leeb. Dem Kirchentellinsfurter Vollzugsbediensteten stehen Unverständnis und Empörung förmlich ins Gesicht geschrieben. Regelmäßig ist er am Baggersee, um Besucher etwa davon abzuhalten, wild zu grillen, Hunde umherlaufen zu lassen, nackt zu baden, durchs geschützte Gebiet zu spazieren oder im Wald Sex zu haben. „Die Verbote werden komplett ignoriert“, berichtet Leeb, der beinahe resigniert klingt. Er schätzt, dass 20 bis 25 Prozent der Besucherinnen und Besucher am Baggersee verbotene Dinge tun.

Seit 24. Mai patrouilliert am See mehrmals pro Woche ein privater Sicherheitsdienst. Freitags bis sonntags sind zwei bis sechs Security-Leute vom Vormittag bis in die Nacht unterwegs, unter der Woche kommen sie je nach Bedarf. Wie viel der Einsatz der Firma die Gemeinde kostet, wollte Hauptamtsleiter Daniel Neudorfer dem TAGBLATT nicht sagen. Das hänge vom Wetter und der Besucherzahl ab. Wie viel im Haushalt für den Einsatz der Security bereitgestellt ist, dazu könne Bürgermeister Bernd Haug „nach Rückkehr aus seinem Urlaub übernächste Woche vielleicht eine Mitteilung machen“.

Leeb beginnt seinen Rundgang am Parkplatz beim Nordufer. „Hier sieht man Autokennzeichen von Pforzheim, Ludwigsburg, oder sogar Köln“, sagt er. Gewöhnliche Besucher kämen kaum von so weit her, nur um in dem See zu baden. Für Leeb sind solche Kennzeichen Indiz für Leute, die sich mit anderen für anonymen Sex treffen. „Wenn hier 20 Autos stehen, aber nur fünf Leute am Strand sind, muss man schauen, wo die anderen alle sind.“ Am Nordufer angekommen, zückt der Vollzugsbedienstete sein Fernglas und blickt zum Südufer hinüber. Oft tummelten sich dort verbotenerweise zahlreiche Nacktbadende, so Leeb. Im Moment allerdings ist niemand auf dem gesperrten Areal zu sehen.

Manche Verbotsschilder stehen schon lange, andere wurden erst vor ein paar Wochen aufgestellt. Vor einem geschützten „Grünbereich“ steht ein Schild mit dem Hinweis, dass der Durchgang nur Anglern gestattet ist. Der deutlich sichtbare Trampelpfad zeigt laut Leeb, dass dort nicht nur Angler durchgingen. Mehr noch: Das Schilf werde nicht nur weggedrückt, „es wird sogar zurückgeschnitten“. Andernorts kämen sogar Maschinen zum Einsatz, sagt Leeb. Zum Beispiel hätten Unbekannte einen Baum entfernt, den ein Biber zu Fall gebracht und so den Zugang zum Südufer versperrt hatte. „Hier wird alles bewegt, was man bewegen kann, um dem Verbot entgegenzuwirken.“

Auf einer Lichtung nahe des Wassers am Nordufer haben es sich zwei junge Männer und eine Frau gemütlich gemacht. Ein Hund läuft ohne Leine herum und der Einweggrill wurde gerade eben erst angezündet. „Grillen ist hier nicht erlaubt“, weist Leeb das Trio zurecht. „Und leinen Sie den Hund bitte an, wenn andere Personen kommen.“ Die jungen Leute zeigen Verständnis – und tragen ihren Einweggrill sogleich rüber zur etwa zehn Meter entfernten, „offiziellen“ Grillstelle.

„Wir probieren es zunächst im Guten“, sagt Leeb. Dennoch: Man könne und werde nun auch Bußgelder verhängen – für jedes Vergehen, ob frei laufender Hund, „Wild-Griller“ oder Nacktbader, sind nun 100 Euro fällig. Bei „Wiederholungstätern“ steigen die Bußgelder auf bis zu 1000 Euro. „Für eine sechsköpfige Familie könnte das bedeuten, dass sie bis zu 6000 Euro zahlen muss“, so Leeb.

Abends verlagere sich das Geschäft auf die Parkplätze und den nahe gelegenen Wald. Vor allem nach dem Wochenende lägen überall Kondome und Taschentücher herum, berichtet Leeb. „Das hier ist der Quickie-Wald“, sagt er und deutet Richtung Unterholz. „Die Leute parken im absoluten Halteverbot und verschwinden für zwei bis fünf Minuten im Wald“, spielt Leeb auf die homosexuelle Cruising-Szene an. Das neuerliche harte Durchgreifen richte sich indes nicht gegen Schwule. Jeder dürfe seine sexuelle Orientierung ausleben – „aber nicht hier an diesem Ort“. Sex in der Öffentlichkeit sei strafbar. Und: Es schrecke Familien davon ab, zum See zu kommen, der ohnehin bereits in einen „gewissen Verruf“ gebracht worden sei.

Die weiß gestrichelte Linie um den Epple- und den dahinterliegenden Mayer-See sowie um den Parkplatz herum kennzeichnet die seit 2. Juni gültige Verbotszone: kein Nacktbaden, kein wildes Grillen, kein Aufenthalt zwischen 22 und 6 Uhr, kein Autowaschen, keine Hunde in der Badesaison (1. März bis 31. Oktober), keine lauten Geräte und keine Motorboote. Bild: Grohe/Montage: Uhland2

Die weiß gestrichelte Linie um den Epple- und den dahinterliegenden Mayer-See sowie um den Parkplatz herum kennzeichnet die seit 2. Juni gültige Verbotszone: kein Nacktbaden, kein wildes Grillen, kein Aufenthalt zwischen 22 und 6 Uhr, kein Autowaschen, keine Hunde in der Badesaison (1. März bis 31. Oktober), keine lauten Geräte und keine Motorboote. Bild: Grohe/Montage: Uhland2

„Baggersee K’furt kann man vergessen“

Dass die Gemeinde das Gelände seit einigen Wochen kontrollieren lässt und das Südufer schwerer zugänglich gemacht hat, hat sich längst in der Cruiser- und Nacktbadeszene herumgesprochen. Mitte Mai schrieb ein „Peter6060“ in einem Forums-Eintrag im Web: „Baggersee K’furt kann man vergessen. Am Nordende, Schwulen- und FKK-Platz, ist lauter Totholz aufgestapelt, kaum Durchkommen mehr.“ Ein anderer blieb ratlos zurück: „Habe gehört, dass der Baggersee nun im hinteren Teil zugemacht worden ist ... wer weiß mehr? Wo trifft man sich in Zukunft?“ - „Ja der Platz ist nun tot für FKK. Schade, war immer schön dort“, antwortete „Schwob69“. Auf einer österreichischen Seite stammen die ersten Einträge zur scharfen Gemeindelinie ebenfalls von Ende Mai. „FKK nicht mehr erreichbar“ und „Der Platz wurde zugemacht. FKK nicht mehr möglich“, so die Kommentare zweier Nutzer. Auf einer weiteren Web-Seite kritisiert einer, dass dort „ca. 10 Polizeibeamte“ wachen, damit nichts „Unsittliches“ gemacht wird. Das erinnere ihn an eine Sittenpolizei wie in Saudi Arabien oder im Iran.ede