„Schwimmen für alle Kinder“

Bademeister schickt Zuschauer duschen

Benefiz Das Tübinger Projekt „Schwimmen für alle Kinder“ holte Comedian Robbi Pawlik ins Sparkassen Carré. Als Bademeister Schaluppke gewährte er schmerzhaft-unterhaltsame Einblicke in die Badekultur des Kölner Südens.

20.08.2018

Von Monica Brana

Zwei Freiwillige (links: Mouhanad Hasson, rechts: Aiham Shalghin) halfen Bademeister Schaluppke am Samstag beim Wasserballett. Bild: Faden

Zwei Freiwillige (links: Mouhanad Hasson, rechts: Aiham Shalghin) halfen Bademeister Schaluppke am Samstag beim Wasserballett. Bild: Faden

Aus dem Schatten seines heimischen Zehnmeterturms wagte sich der Kölner Bademeister Schaluppke am Samstagabend auf die Bühne im Sparkassen Carré. Dort animierte der Beckenrand-Profi seine 200 Zuschauer zum Wassersport und lieferte unverblümte Einblicke in Liebenswürdigkeiten und Unverschämtheiten seines Programms „10 Jahre unterm Zehner“. Als Schmankerl bot Robbi Pawlik bewegte Einlagen aus seinem neuen Programm „Chlorreiche Tage“.

In Nordrhein-Westfalen könne die Hälfte der Kinder nicht schwimmen, sagte Schaluppke. In weißer Bademeister-Kleidung trat er unter eingespieltem Kindergeschrei vor sein „funky Publikum“. Doch sei es gerade in seinem „Freizeit- und Kombibad“ in Zollstock, einem Brennpunkt-Viertel im Süden Kölns, überlebenswichtig, oben zu bleiben. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass weitere Fachangestellte für Bäderbetriebe im Raum waren, wollte der 51-Jährige mit verbreiteten „Bademeister-Märchen“ aufräumen.

Cool rappte, der weiße Holz-Clogs tragende Animateur und Seelentröster anschließend von „chlorreichen Tagen“, die morgens um fünf Uhr beginnen. Um sechs Uhr kämen die Rentner zum Schwimmen, um sieben Uhr die Triathleten. Ohnehin sei Chlor fester Bestandteil seines Alltags, der Geruch bleibe nach Feierabend erhalten, bis zum nächsten Tag. Auch aufgrund des vertrauten Geruchs verpaare sich Badepersonal daher gerne untereinander. Der Geburtstermin des Nachwuchses werde so geplant, dass deren Sternzeichen auf Wassermann oder Fisch falle.

Klar wurde: Wer in Zollstock am Beckenrand steht, blickt auch in seelische Abgründe der „bunten und vor allem multikulturellen Badeklientel“. So sei er nicht nur für die Sicherheit im und am Wasser zuständig, sondern wirke zudem als Mediator, Erzieher, Schlichter. „Herr Bademeister! Die dumme Nuss da hinten hat misch grade ertrunken!“ Konfrontationen wie die zwischen Lana-Luana, einem weiblichen „Pubertier“, und Samma-Kimberly, seien an der Tagesordnung. Schaluppke drängt es stets, seinen Bildungsauftrag zu friedlichem Miteinander in sich nachzukommen. Beide Mädchen sollten sich daher an den Händen fassen. Lara-Luana solle sagen: „Entschuldigung, dass ich dich gerade ertrunken habe.“ Samma-Kimberly solle erwidern: „Entschuldigung, dass ich dich gerade dumme Nuss genannt habe.“ Und beide sollten dann gemeinsam sagen: „Hallo, wie geil ist das denn bitte.“ Doch lösten sich solche Versöhnungsfantasien in der harschen Realität auf, bedauerte der Bademeister.

Stattdessen stünden beide Beteiligten vor ihm und „verdrehen synchron die Augen“, ein „typisches Phänomen“ bei pubertierenden Mädchen. Tatsächlich guckten sie nach innen, „nach hinten, in sich hinein“. „Ich sach‘: Mädels, was sucht ihr, da is‘ nix!“ Doch gehe der Trend in Köln derzeit ja zum Drittnamen. Marvin-Jérôme-Pätrick („mit ä“) und andere Halbstarke versammelten sich gerne am Zehnmeter-Sprungturm, der auch Acapulco-Tower genannt werde. „Mach‘ Zehner, Fünfer ist schwul!“, bekomme er um die Ohren geworfen. „Spring‘ zwei Mal vom Fünfer!“, antworte er in solchen Fällen lapidar. Und wenn die Renitenz der Jugend überhand nehme? Sein allwirksames „Geh duschen!“

Die Pause beendete ein Pfiff mit der Trillerpfeife, und nachdem es dem Bademeister glückte, einem Tübinger Zuschauer seinen verloren gegangenen Schlüssel zurückzugeben, spielte Pawlik einige Szenen aus seinem dritten Programm, das erst im Oktober Premiere feiert. Mit einer Blümchenbadekappe saß der Künstler am E-Piano und lieferte launige „Jazz-Mucke“. Sein zwiespältiges Verhältnis zu Helikopter-Eltern mit Bindestrich-Doppelnamen brach dabei hervor. Selbstironisch verlas er eine E-Mail, in der eine Mutter ihn fragte, ob sein Programm für ihre „aufgeweckte“ zehn Jahre alte Tochter geeignet sei, oder ob die Inhalte sie „irritieren“ könnten. Er habe mit einem derben Witz zu ihrem Helikopter- und Bindestrich-Status geantwortet. „Unverschämt! Wir kommen nicht“, habe sie zurückgeschrieben. „Schicken Sie Ihre Tochter vorbei“, habe er daraufhin seine Einladung bekräftigt.

„Im Schwimmbad sind alle gleich“, sagte Pawlik dem TAGBLATT. Er karikiere den Alltag dort, häufig meldeten sich Bademeister über das Internet bei ihm und lieferten neue Anekdoten. „Ich halte meine Antennen aufgespannt“, sagte der Absolvent der Kölner Sporthochschule und examinierte Physiotherapeut, der nie Bademeister war. Er bringe wichtige gesellschaftliche Themen auf die Bühne oder in Schwimmbäder, wo er ebenfalls häufig auftrete. Früher habe er unter anderem im „Käpt‘n Blaubär-Club“ die Hein Blöd-Puppe gespielt, sagte Pawlik. Seine Schaluppke-Figur sei 2002 entstanden, nachdem er bei der Hochzeit eines Freundes den Bademeister gemimt hatte und das auf positive Resonanz stieß.

Seine Gage für den Auftritt spendete der Künstler an „Schwimmen für alle Kinder“, wie auch zahlreiche Tübinger Gastronomiebetriebe ihrerseits Leckereien gestiftet hatten, die sich das Publikum schmecken ließ. Stadträtin Ingrid Fischer verlas zu Beginn des Abends das Grußwort der Staatsministerin für Integration, Annette Widmann-Mauz (CDU). Darin betonte die Schirmherrin des Abends die überlebenswichtige Fähigkeit des Schwimmens. Alle Kinder in Deutschland sollen sie erwerben. Bei rund 500 Kindern habe das 2015 gegründete Schwimm-Projekt das bereits geschafft, mehr als 250 Nachwuchs-Schwimmer hätten das bronzene Jugendschwimmabzeichen erhalten. Mit dem Seepferdchen bekommen die „Schwimmen für alle Kinder“- Absolventen zudem eine Jahreskarte für die Tübinger Bäder.

Rund 85 000 Euro koste das für die Kinder kostenlose Angebot im Jahr, sagte Initiatorin Dagmar Müller. Die Stadt decke ein Viertel der Kosten über das Kindercard-Programm ab, den Rest stemmten Nachlässe der Schwimmschulen, Sponsoren und Privatspender. Gefördert werden Kinder und Jugendliche im Alter von fünf bis 21 Jahren, sagte Dagmar Müllers Mann Gerd, der sich im Förderbündnis „Runder Tisch Kinderarmut“
engagiert. Allein im letzten Schuljahr seien 17 Kindercard-Inhaber aus der Silcherschule zu ihnen
gestoßen.

Mit zwei Grundschulen arbeite das zwölfköpfige Team von „Schwimmen für alle Kinder“ derzeit zusammen. Die jüngeren Kinder werden von Ehrenamtlichen aus der Schule abgeholt, in eine Schwimmschule gebracht und wieder zurückbegleitet. Um Jugendliche kümmern sich ehrenamtliche Studenten.

Eine Beispielfamilie berichtet

Ihr bronzenes Seepferdchen-Abzeichen hat die neunjährige Jennifer Khadeeda bereits in der Tasche. „Schwimmen macht viel Spaß“, sagte das Mädchen aus dem Irak am Rande der Comedy-Gala. Sie mache beim Schwimmen Froschbeine und tauche, aber meist nicht so tief. Ihre Schwester Zahra (22) steht noch am Anfang ihrer Schwimmkarriere, Bruder Karim (16) hat bereits das silberne Schwimmabzeichen geschafft und will nun Rettungsschwimmer werden. Wer das Projekt unterstützen möchte, kann sich hier informieren: http://www.gatm.de/schwimmen-fuer-alle-kinder