Im Inneren des Auto-Automaten

Automatisches Parkhaus am Lorettoplatz: Kein Tag ohne Störungen

Der Auto-Automat am Tübinger Lorettoplatz läuft nicht immer rund und soll vor allem ein Angebot für Dauerparker sein. Eine kleine Inspektion.

15.01.2018

Von Ulla Steuernagel

Von außen betrachtet ist es ein schickes Parkhaus. Innen bietet es auch ein paar Vorteile: Es hat eigentlich immer freie Plätze, und es ist sensationell günstig. Es kostet 80 Cent pro angefangener Parkstunde, damit nur die Hälfte der Gebühren, die in anderen Parkhäusern der Stadt verlangt werden. Die Tagesnutzung macht im Monat gerade mal 34 Euro, also weniger als die Hälfte der anderen. Das Parkhaus Lorettoplatz könnte also ein Geheimtipp sein.

Könnte. Denn außer der Tatsache, dass es einige Gehminuten weiter von der Stadt entfernt liegt als andere, hat es eine Besonderheit, die viele abschreckt: Es funktioniert zum größten Teil vollautomatisch. Von den 185 Parkplätzen werden 143 automatisch, also ohne Fahrer, angesteuert. Ausgelastet ist das Haus zu ungefähr 80 Prozent, Dauerparker belegen etwa 60 Prozent der gesamten Fläche.

Das Einfahren ist wie andernorts auch, auf Knopfdruck wird die Parkkarte ausgegeben. Doch dann muss man sein Auto, jedenfalls im automatischen Teil, einer höheren Macht überlassen. Diese Macht bekommt allerdings nicht immer alles auf die Reihe. Wenn alles klappt, läuft es so: Das Auto wird in eine Kabine gefahren und ohne die Insassen in eine der fünf oberen Etagen geliftet. Per Computer wird dem Auto hier ein freier Platz zugewiesen, zu dem es durch ein automatisches Shuttlesystem transportiert wird. Dabei wird das Auto an den Rädern mit Greifarmen hochgehievt und auf ein bewegliches Schienensystem gestellt. Vorwärts, seitwärts und rückwärts wird es dann in die vorgesehene Lücke verfrachtet. Die Übergabestation entschwindet wieder in ihre Ausgangsposition.

Das eigene Auto einer Maschine zu überlassen, macht nicht nur den stolzesten Autobesitzern Angst. Ganz irrational ist diese Angst nicht: Denn die Geschichte der automatischen Parkhäuser in Tübingen ist gepflastert mit Pannen. Tübingen werde zum „Mekka der automatischen Parksysteme“, keine andere europäische Stadt werde derart viele Abstellplätze zu bieten haben. Dieser Jubel, in den auch das TAGBLATT 1999 einfiel, liegt in weiter Ferne.

Er rückt noch ferner, wenn man Hubert Sailer hört. Der Elektromeister ist bei den Tübinger Stadtwerken der oberste für alle Parkhäuser zuständige Techniker. Über seine automatischen Sorgenkinder sagt er: „Es vergeht kein Tag ohne Störungen.“ Ein bis zwei Einsätze haben die Techniker an der Loretto-Anlage pro Tag. Das Parkhaus ist zwar automatisch, aber personalintensiv. Morgens und abends müssen immer Mitarbeiter vor Ort sein.

Seit 15 Jahren ist Sailer Betreuer der Maschinen, die so oft ins Stottern geraten. Die italienische Herstellerfirma Interpark, die auch den zweiten Tübinger Parkautomaten im Französischen Viertel lieferte, hat dagegen schon lange das Handtuch geworfen und ist vom Markt verschwunden. Auch andere Herstellerfirmen hatten wenig Glück mit dieser so zukunftsträchtig erscheinenden Geschäftsidee, eine Insolvenz jagte die nächste.

„Die erste Software“, so sagt Sailer unverblümt, „war gar nichts.“ Es klemmte hinten und vorne, und so hat er im Laufe der Jahre mit seinem Team fast jedes Teil der Computersteuerung ausgetauscht und neu entwickelt. „Es wird immer schwieriger, Ersatzteile zu bekommen“, so seine Erfahrung. In Baden-Württemberg gibt es laut Sailer nur noch die beiden Tübinger Automaten, über die weder die Stadtwerke glücklich sind noch die Nutzer anderer Parkhäuser. Denn in den 15 Betriebsjahren hat sich ein Defizit von über 4 Millionen Euro angesammelt. Ausgeglichen werden die Kosten durch die höhere Parkgebühren in den anderen. Sollte es sich rechnen, müsste das automatische Parken eigentlich doppelt so teuer sein wie ein konventionelles. Doch ohne billigere Lockangebote würde womöglich kaum jemand sein Auto der Maschine ausliefern.

Sailer hätte Gründe, die arbeitsintensive Parkanlage im Lorettoviertel zu verfluchen, andererseits stellt dieser Pflegefall ihn vor immer neue Herausforderungen. Denn da es für die Tübinger Anlagen keine Ersatzteile mehr gibt, ist höchste technische Findigkeit gefragt.

Für die Experten ist es nicht ganz leicht, sich in die Lage eines unwissenden Neuparkers zu versetzen. Dauerkunden, für die diese Art des Parkens gewiss geeigneter ist, bekommen durch die Stadtwerke eine Einführung. Der Erst- und Einmalparker ist hingegen auf sich und die verwirrenden schriftlichen Instruktionen angewiesen. Nach dem Einfahrt-Terminal muss man erst einmal vor einer roten Linie warten, bis sich das Tor zur Übergabekabine öffnet. In dieser Kabine strömen verschiedene Anweisungen auf einen ein, unter anderem die, dass „Personen und Tiere aussteigen“ sollen, dass man einen Gang einlegen und die Bremse anziehen soll. Erst wenn außen die Parkkarte eingegeben und der Bestätigungsknopf gedrückt ist, geht der Auto-Alleingang los.

Auch die dickste Aufschrift, auch gesprochene Anweisungen und Warnungen in Leuchtschrift schützen nicht vor Fehlern. Nicht selten kommt es vor, dass Patienten der benachbarten Lorettoklinik, so heißt es dort, ihr Auto zwar in die Kabine stellen, dann aber glauben, den Rest macht der Automat. Sie geben also weder ihre Karte ein noch drücken sie den Bestätigungsknopf. Eine gute Methode, eine der beiden Kabinen lahmzulegen. Auch Sailer hat einen reichen Fundus an Geschichten von Parkern, die vergaßen, die Heckklappe des Autos zu schließen oder ähnliches. Und erst jüngst passiert: Der Fahrer blieb im Auto sitzen, fuhr in die Anlage, wurde eingeparkt und konnte wegen der Enge der Buchten sein Auto nicht verlassen. Also parkte er um, stieg aus und legte die gesamte Anlage lahm. Immerhin konnten die Techniker ihn nun aus seiner misslichen Lage befreien. Unter den vielen technischen Störungsvarianten gibt es eine Innovation: Der Scanner, der das Auto in der Kabine misst, also prüft, dass keine Teile über das Höchstmaß hinausragen, erkennt bei Autos mit manchen neuen Lacken die herausragenden Teile nicht. Kann also sein, dass die bei der Rausgabe fehlen.

„Das Parkhaus ist nicht für Rushhours geeignet“, stellt Sailer klar. Die Autoannahme und -abgabe dauert, wenn alles glatt läuft (auch das passiert), um die drei Minuten. Wenn allerdings bei der Autoherausgabe rangiert werden muss, ein Auto vor dem gewünschten parkt, verlängert sich die Wartezeit. Für größeren Parkverkehr bräuchte man mehr Übergabestationen. Doch für die Stadtwerke würde sich eher eine Schließung lohnen.

Hier stellen Nutzer des automatischen Parkhauses ihren Wagen ab - den Rest sollte das Parkhaus selbst erledigen. Bild: Bleeser

Hier stellen Nutzer des automatischen Parkhauses ihren Wagen ab - den Rest sollte das Parkhaus selbst erledigen. Bild: Bleeser

Ein Parkhaus mit geteilter Zukunft

Das Loretto-Parkhaus eröffnete mit halbjähriger Verspätung im März 2003 und konnte bald zwei Abstürze verbuchen: Schon bei der Eröffnungsfeier ging das Betriebssystem in die Knie und verweigerte die Annahme des ersten Autos. Später stürzte dann mal ein ganzes Auto der Stadtwerke ab. Die Stadtwerke verweigerten Ende 2003 die Endabnahme beider automatischen Parkhäuser und zogen in Betracht, das gesamte System zurückzugeben.

Ob das automatische Loretto-Parkhaus eine Zukunft hat, ist noch unklar. Diskutiert wird beispielsweise, ob die konventionellen Stellplätze in den unteren beiden Geschossen erhalten bleiben, aber was mit den oberen passiert, hängt auch von Tiefgaragen-Plänen am Hechinger Eck ab.