Tübingen/Stuttgart
Datenschutz: Aus für Palmers Liste
Tübingen darf keine Daten über auffällige Flüchtlinge mehr austauschen. Damit endet ein langer Streit zwischen dem OB und dem Landesbeauftragten.
Unter denen, die angesichts der Nachricht aufmerkten, waren nicht nur Flüchtlingshelfer und Palmer-Kritiker – sondern auch der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Stefan Brink. Der Jurist schickte der Stadt Tübingen einen ausführlichen Katalog mit datenschutzrechtlichen Fragen zur „Liste der Auffälligen“. Es folgte ein monatelanges Hin und Her zwischen Palmer und Brink, bei dem alsbald klar wurde, dass die inhaltlichen Positionen sehr unterschiedlich, die Neigung, nachzugeben hingegen bei beiden Kontrahenten ganz ähnlich ausgeprägt ist – nämlich gar nicht. Palmer beschwerte sich bei Innenminister Thomas Strobl (CDU) über Brinks Insistieren, dieser rügte in seinem Tätigkeitsbericht die Verweigerungshaltung der Stadt und sprach von „absurden“ Vorwürfen Palmers.
Das Ergebnis dieses Konflikts liegt nun vor: In einer Entscheidung des Datenschutzbeauftragten untersagt er der Stadt Tübingen, „persönliche Daten, die ihrer Ausländerbehörde von einer Strafverfolgungsbehörde (...) übermittelt wurden, für andere Zwecke, insbesondere im Rahmen eines ,strukturierten Informationsaustauschs' und für das Führen einer ,Liste mit auffälligen Asylbewerbern' zu verarbeiten“, wie es in dem Schreiben heißt. Die Daten in der Liste selbst seien außerdem zu löschen.
Kritik an Blockadehaltung
Brink schreibt, die Stadt Tübingen habe sich im gesamten Verfahrenslauf alles andere als kooperativ gezeigt: Informationen seien spärlich, mit großer Verzögerung und teils „inhaltsarm“ geflossen, versprochene Unterlagen nicht übersandt worden. Begründet wird das Verbot mit datenschutzrechtlichen Grundsätzen, mit denen das Tübinger Vorgehen nicht vereinbar sei. Brink verweist auf die „strenge Zweckbindung“ für Daten, die bei polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen erhoben wurden. Wenn solche Informationen der städtischen Ausländerbehörde zugingen, gelte diese Zweckbindung weiter, die Daten dürften nicht, wie in Tübingen praktiziert, in einer Excel-Tabelle mit anderen städtischen Behörden geteilt werden.
Ausnahmen seien nur zur Abwehr konkreter Gefahren zulässig – etwa, wenn es bereits Angriffe auf Mitarbeiter gegeben habe. „Allenfalls dann, wenn ein Asylbewerber konkret durch entsprechendes Vorgehen gegen Behördenmitarbeiter aufgefallen wäre, würde dies seine Speicherung zu dem angeführten Zweck rechtfertigen“, schreibt Brink.
Brink hingegen verweist auf die „gravierende Diskriminierungswirkung“ der Liste. Auch seien die Kriterien, mit denen die Stadt eine Gefährlichkeit eines Asylbewerbers annimmt, „völlig unklar“ und „intransparent“.
Palmer kündigte an, der Anweisung Folge zu leisten und nicht vors Verwaltungsgericht zu ziehen. Stattdessen fordert der OB von der Bundesregierung, „eine Rechtsgrundlage für die Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden und Sozialarbeit zu schaffen.“ Die Entscheidung des Datenschutzbeauftragten gehe an der Realität vorbei und sei „behördlich verordnete Schizophrenie. Ein und dieselbe Person muss vergessen, was sie in anderer Funktion weiß.“ Der Datenschutz werde so zum Täterschutz.
Außerdem fühlt sich Palmer ungerecht am Pranger: Viele öffentliche Behörden führten Informationen ganz ähnlich zusammen wie seine Stadtverwaltung. „Der Grund für die Intervention gegenüber Tübingen ist nur, dass wir transparent und öffentlich gesagt haben, was wir machen.“
Beschwerdestelle für Bürger und Bürgerinnen
Seit Januar 2017 ist Stefan Brink Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit. Er ist vom Landtag für die Dauer von sechs Jahren gewählt. Brink geht mit seiner Behörde Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern über Behörden und Unternehmen nach.