Forschung

Aus Luft werde Kohlenstoff - Forschung für Klimaschutz und Industrie

Um die Klimakrise einzudämmen, muss CO2 aus der Atmosphäre geholt werden. Wissenschaftler in Karlsruhe tun das und stellen Rohstoffe her.

07.02.2023

Von Von Marco Krefting, dpa

Benjamin Dietrich, Geschäftsführer des Instituts für Thermische Verfahrenstechnik beim Karlsruher Institut für Technologie, zeigt Kohlenstoff, der mit einer Versuchsanlage aus CO2 der Umgebungsluft gewonnen wurde.  Foto: Uli Deck/dpa

Benjamin Dietrich, Geschäftsführer des Instituts für Thermische Verfahrenstechnik beim Karlsruher Institut für Technologie, zeigt Kohlenstoff, der mit einer Versuchsanlage aus CO2 der Umgebungsluft gewonnen wurde. Foto: Uli Deck/dpa

Karlsruhe. Schon ein leichter Windhauch reicht, um das schwarze Pulver wegzuwehen. Es ist der Hightech-Rohstoff Carbon Black, den Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) wortwörtlich aus Luft hergestellt haben. Mit einer Apparatur saugen sie klimaschädliches CO2 aus der Umgebungsluft und stellen daraus Kohlenstoff her. Carbon Black ist dabei nicht alles, wie Benjamin Dietrich vom KIT-Institut für Thermische Verfahrenstechnik sagt. Je nach Temperatur und Druck könnten auch Graphit und Graphen hergestellt werden – in der Industrie begehrte Materialien.

Ob Bauindustrie oder Farbindustrie, ob für Solarzellen, Touchscreens, Lithium-Ionen-Batterien oder Autoreifen – die Einsatzmöglichkeiten dieser Produkte sind vielfältig. So betont zum Beispiel der Verband der Mineralfarbenindustrie den „exzellenten“ UV-Schutz und die antistatische Wirkung von Carbon Black, auch Industrie-Ruß genannt. In einer Studie geht das Marktforschungsunternehmen Ceresana davon aus, dass die Nachfrage allein nach Carbon Black bis 2030 weltweit auf mehr als 17 Millionen Tonnen pro Jahr wächst.

Dagegen wirkt das halbe Kilogramm Kohlenstoff, das die Versuchsanlage am KIT laut Dietrich aus zwei Kilogramm CO2 an einem achtstündigen Arbeitstag herstellt, eher mickrig. Doch das Forscherteam ist erst am Anfang: Mit verschiedenen Temperaturen zwischen 900 und 1200 Grad und unterschiedlich hohem Druck testet es, wie sie die Endprodukte beeinflussen können.

Das Ganze funktioniert in einem mehrstufigen Verfahren: Mithilfe eines sogenannten Adsorbers wird CO2 aus der Luft abgetrennt – das nennt man „Direct Air Capture“. Im zweiten Schritt werden Kohlenstoff und Sauerstoff über chemische Prozesse getrennt und gehen neue Bindungen ein, das Ergebnis sind Methan und Wasser. Im Methan steckt der Kohlenstoff, der in einem Reaktor mit flüssigem Zinn abgespalten wird. Pyrolyse heißt dieser Verfahrensschritt.

In dem Necoc genannten Projekt untersucht das Team, wie hoch der Energieaufwand ist und ob Schadstoffe als Zwischenprodukte entstehen, wie Dietrich erklärt. Teile des anfallenden Wasserstoffs wiederum fließen zum Beispiel direkt wieder in die Methanisierung. Am Ende macht der Prozess „selbstverständlich nur Sinn“, wenn durch die Herstellung der notwendigen Energie nicht CO2 entsteht, räumt Dietrich ein – wenn also mit erneuerbaren Energien gearbeitet wird.

So sieht es auch Katja Purr, die das Fachgebiet „Strategien und Szenarien zu Klimaschutz und Energie“ beim Umweltbundesamt leitet: Wenn erneuerbare Energien eingesetzt würden, verspreche der Ansatz „viel Potenzial für die Zukunft“.

Denkbar ist laut Dietrich auch, Emissionen etwa aus der chemischen Industrie mit einer dort standardmäßig eingesetzten Wäsche aufzureinigen und das so herausgefilterte CO2 direkt in den zweiten Schritt des Necoc-Prozesses, also die Methanisierung, zu führen. Das Problem ist, dass zu viel klimaschädliches CO2 in der Atmosphäre ist. Kohlendioxid heizt den Planeten auf. Das bekomme man nur durch die Entnahme von Treibhausgasen in den Griff, macht Purr deutlich. „Wir brauchen negative Emissionen, daran führt kein Weg vorbei.“

Ein Bericht des Mercator Research Institutes on Global Commons and Climate Change (MCC) bescheinigt der Staatengemeinschaft jüngst enormen Aufholbedarf. Mit neuen Methoden würden aktuell gerade einmal 0,002 Gigatonnen CO2 pro Jahr entnommen. Zur Einordnung: Schätzungen zufolge betrug der globale CO2-Ausstoß im vergangenen Jahr 40,6 Gigatonnen.

Dabei gibt es mittlerweile mehrere Möglichkeiten, bei denen CO2 zum Beispiel in riesigen Mengen im Boden gespeichert oder gar in Stein umgewandelt werden soll. „Wissenschaftler gehen davon aus, dass durch die Abscheidung von CO2 bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe und einer anschließenden unterirdischen Speicherung 65 bis 80 Prozent des CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre ferngehalten werden können“, erläutert das Umweltbundesamt dazu.

Doch die als Carbon Capture and Storage bezeichnete Technik ist umstritten. Es komme stark auf den Untergrund an, erklärt Purr. Ein enges Monitoring sei nötig, um zu schauen, dass das CO2 wirklich im Boden bleibt. In Deutschland ist bisher nur die Erforschung, Erprobung und Demonstration solcher Technologien erlaubt. Insofern sei das Einspeichern in festen Kohlenstoff wie bei Necoc gegebenenfalls auch die sicherere Variante, sagt Purr. „So ein Ansatz ist mir zum ersten Mal untergekommen.“

Noch aber steckt Necoc in den Kinderschuhen. Die Versuchsanlage, die das KIT mit zwei Firmen errichtet hat, ist im Containermaßstab aufgebaut. Grundlagenforschung eben. Auf die Frage, wann sie in größerem Maßstab eingesetzt werden könnte, wagt Dietrich keine Prognose: „Da muss man schon noch einige Schritte machen.“

Frage der Weiterverwendung wird wichtiger

In aktuellen Diskussionen zum Klimaschutz geht es inzwischen immer öfter darum, CO2 nicht nur zu speichern, sondern weiterzuverwenden. Kurz vor Weihnachten beschloss die Bundesregierung, in diesem Jahr eine Carbon-Management-Strategie zu erarbeiten.

Der CDU-Bundesvorstand wiederum sprach sich bei einer Klausurtagung Mitte Januar für eine „echte CO2-Kreislaufwirtschaft“ aus. Mit dem Vermeiden von CO2-Emissionen allein sei Klimaneutralität nicht zu erreichen, hieß es. dpa