Chronologie

Aufschwung dank Bahn und E-Werk

Die Corset-Fabrik G. Kindler & Cie war Gomaringens erste Firma

03.08.2016

Von gs

Aufschwung dank Bahn und E-Werk

1893: Gotthold Kindler und Emil Hoch gründen in Gomaringen die Corset-Fabrik G. Kindler & Cie, die unter dem Markennamen „Bellavita“ Unterwäsche produziert. Erster Firmensitz ist bei der Platzbrücke. Es ist nicht nur die erste Textilfabrik, sondern die erste Industrie überhaupt im Ort. Hoch steigt wenig später wieder aus und zieht in die Schweiz, wo er sein eigenes Unternehmen gründet.

Kindler, selbst kinderlos, holt seinen Neffen Gustav Gräter und dessen Schwager Carl Dölker als Gesellschafter in die Firma.

Gomaringen bekommt einen Bahnhof und ein E-Werk mit Turbine und Wasserkraft – Kindler wird Hauptabnehmer des Stroms.

Neubau in der Lindenstraße. Zwei Erweiterungen folgen. Bis 1914 entsteht ein 80 Meter langes Gebäude, das von der Linden- bis hinüber zur Bahnhofsstraße reicht.

Tod Gotthold Kindlers. Gustav Gräter übernimmt die Firma.

Carl Dölker trennt sich vom Betrieb und gründet 1917 in unmittelbarer Nachbarschaft die noch heute existierende Firma „Naturana“.

Gustav Gräters Sohn Stavo (eine Abkürzung von Gustav) kehrt aus dem Ersten Weltkrieg mit großer Begeisterung fürs Fliegen zurück.

Stavo Gräter gründet die Deutsche Radio Gesellschaft mbH (DERA), unterstützt von Martin Kern, einem begabten Tüftler, der eigentlich als Techniker bei Bellavita arbeitet. DERA nutzt Räume im Untergeschoss der Kindler’schen Fabrik. Es ist eine der ersten Radiofabriken in Süddeutschland und sehr erfolgreich. Das Unternehmen stattet beispielsweise einen Zeppelin mit einem Funkgerät aus.

Bellavita stellt auf Dieselmotor um und produziert forthin selbst Strom.

Gustav und Stavo Gräter überwerfen sich, weil jener lieber mit Radios als mit Miederwaren arbeitet – der Sohn wandert nach Amerika aus, arbeitet in einer Radiofabrik, verdient sich so das Geld für ein Flugzeug und gründet eine Flugschule.

Stavo Gräter stirbt bei einem Flugzeugabsturz.

Tod Gustav Gräters. Seine Tochter Ilse (Jahrgang 1898), die später nach ihrem zweiten Mann Wilhelm Graulich heißt, wird Firmenchefin. Zunächst leitet sie das Unternehmen gemeinsam mit ihrer Mutter, die 1947 stirbt.

Während der NS-Zeit werden bei Kindler Textilien für die Marine und Schneeanzüge für Soldaten in Russland genäht. Anders als bei Naturana-Chef Carl Dölker, der NSDAP-Mitglied war, ist eine solche Positionierung bei Ilse Graulich nicht bekannt. Dagegen spricht auch, dass ihr Vater Freimaurer gewesen sein soll.

Kindler erledigt Auftragsarbeiten für die französischen Soldaten. Es werden beispielsweise Uniformen, Bettwäsche und Handtücher genäht.

In der Nachkriegszeit näht Kindler Alltagswäsche wie Handtücher und Bettzeug als Auftragsarbeiten auch für Gomaringer Bürger.

Ab Mitte der 50er-Jahre erlebt die Textilindustrie einen erneuten Boom. In den Folgejahren werden weitere Filialen in Lonsingen und Dußlingen gegründet.

Die Firma Rösch kauft sich mit 50 Prozent in die Firma ein, wo nun auch „Pompadour“-Wäsche produziert wird. Die Konkurrenz aus Billiglohnländern wächst.

Ilse Graulich stirbt. Weil sie kinderlos ist, fließt ihr Vermögen in die Ilse-Graulich-Stiftung. Rösch übernimmt die komplette Firma.

Die Zuschneiderei wird nach Tübingen verlagert.

Rösch schließt den Betrieb.

Die Gemeinde kauft das Gebäude und vermietet es beziehungsweise stellt es Vereinen zur Verfügung. Der Geschichts- und Altertumsverein etwa lagert dort Ausstellungsgegenstände.

Verkauf an die Stuttgarter Firma Nanz & Partner, die dort Luxuswohnungen einbauen möchte. Wegen mangelnder Nachfrage scheitert das Projekt.

Die Gemeinde kauft das Gebäude zurück mit dem Ziel, es zum Dienstleistungszentrum auszubauen. Das Rathaus, die Polizei und das Bürgerbüro sollen nun dort unterkommen.

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Erstellt:
03.08.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 42sec
zuletzt aktualisiert: 03.08.2016, 01:00 Uhr

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