„Bad Boys“ unterliegen Titelverteidiger Frankreich in letzter Sekunde 28:29

Aufholjagd kommt zu spät

Die deutschen Handballer sind im Olympia-Halbfinale von den Franzosen mit 28:29 (13:16) gestoppt worden. Am Ende wäre aber mehr drin gewesen.

20.08.2016

Von WOLFGANG SCHEERER

Es war ein heißer Fight ums Finale: Tobias Reichmann am Boden nach der Niederlage gegen Frankreich. Foto: dpa

Es war ein heißer Fight ums Finale: Tobias Reichmann am Boden nach der Niederlage gegen Frankreich. Foto: dpa

Rio de Janeiro. Tore Schlag auf Schlag, rasantes Tempo und spektakuläre Aktionen: Dieses Halbfinale war mitreißend. Aus deutscher Sicht allerdings erst zum Schluss. Doch Titelverteidiger Frankreich stoppte die „Bad Boys“ buchstäblich in letzter Sekunde. Auf einen echten Olympiasieg muss Dagur Sigurdssons Mannschaft also mindestens bis Tokio 2020 warten.

Als die deutschen Handballer zum bisher einzigen Mal Gold holten, 1936 in Berlin, da wurde noch draußen auf dem Großfeld gespielt. Bei den Boykott-Spielen 1980 in Moskau hatte das Team der DDR gewonnen. In der Halle kann das DHB-Team nun aber weiterhin die dritte olympische Medaille holen nach Silber 1984 und 2004. Morgen (15.30 Uhr MESZ/ZDF) bleibt im Bronze-Match die Chance. Gegner: der Sieger der Partie Polen gegen Dänemark.

Frankreichs „Weltauswahl“, angeführt von Nikola Karabatic und den beiden Ex-Kielern Daniel Narcisse und Keeper Thierry Omeyer, hatte eine Menge zu verlieren. Man muss sich das vorstellen: Seit Athen 2004 hat die Mannschaft kein K.o.-Duell bei Olympia verloren. Schon Platz fünf bei der EM war weniger als erhofft. Die Mannschaft von Trainer Claude Onesta, seit 15 Jahren der Chef, ist große Erfolge gewöhnt: Olympiasieger 2012, Weltmeister 2015. „Irgendwann muss jede Ära enden“, hatte Kreisläufer Hendrik Pekeler gemeint. Noch nicht: Die Franzosen haben Silber sicher.

Mit einem überragenden 34:22 gegen Katar waren die „Bad Boys“ regelrecht ins Halbfinale gestürmt. Die Franzosen hatten gestern keinen ähnlich schlechten Tag wie der Vize-Weltmeister. Von Beginn an musste die deutsche Mannschaft Onestas Team, das schon nach neun Minuten beim 6:3 einen Drei-Tore-Vorsprung herausgespielt hatte und auch mit diesem Abstand (16:13) in die Pause ging, hinterherlaufen. Auffällig: Onesta setzte häufig auf einen Sieben-Mann-Angriff ohne Torwart. Wenn der Elsässer Omeyer dann im Kasten stand, brachte er die deutschen Werfer fast zur Verzweiflung. 39 Jahre alt, graue Haare, erstklassiger Keeper. Fehlwürfe und Unkonzentriertheiten verhinderten ein Herankommen immer dann, wenn der Rückstand einmal auf zwei Tore vekürzt war. Auch von Torhüterwechseln – Silvio Heinevetter für EM-Held Andreas Wolff – ließen sich die Franzosen zunächst nicht aus dem Rhythmus bringen. Beim 20:14 (37.) waren's dann schon sechs Tore Unterschied.

Doch die DHB-Auswahl kämpfte, kam – auch dank des starken Heinevetter im Tor – wieder heran, als der Balinger Martin Strobel zum 25:27 traf (51.) und Julius Kühn sogar auf 26:27 (56.) verkürzte. Und dann: Tobias Reichmann gelang der umjubelte Ausgleich zum 28:28 (29.). Doch in der letzten Sekunde die Entscheidung für die Franzosen: Daniel Narcisse, mit sieben Toren bester Werfer der Franzosen, nahm Anlauf, stieg eindrucksvoll hoch und drosch den Ball in die untere linke Ecke. Voilà, die Franzosen im Finale! Die deutschen Spieler ließen die Köpfe hängen. Die Aufholjagd kam zu spät. Kapitän Uwe Gensheimer war mit elf Toren bester deutscher Werfer. Thierry Omeyer wird er übrigens bald wiedersehen: bei seinem künftigen Klub Paris-St. Germain HB.