Champions League

Aufgeben? Gibt's nicht!

Nationalspieler Antonio Rüdiger ist ein Vorkämpfer gegen Rassismus. Auch auf dem Fußballplatz ist der Abwehrchef des FC Chelsea zur Leitfigur gereift. Am Dienstag spielt der Ex-Stuttgarter gegen den FC Bayern.

25.02.2020

Von SID/DPA

Antonio Rüdiger trifft mit dem FC Chelsea am Dienstag auf den FC Bayern. Foto: John Walton/PA Wire/dpa Foto: John Walton/PA Wire/dpa

Antonio Rüdiger trifft mit dem FC Chelsea am Dienstag auf den FC Bayern. Foto: John Walton/PA Wire/dpa Foto: John Walton/PA Wire/dpa

London. Antonio Rüdiger kämpft nicht für sich allein. Der Nationalspieler streitet für seine „Brüder“ Jordan Torunarigha oder Leroy Kwadwo, die er nach den jüngsten rassistischen Schmähungen im persönlichen Gespräch unterstützte. Rüdiger kämpft unermüdlich und stärker denn je: für Djamal. Sein am vergangenen Donnerstag geborener Sohn soll in einer besseren Welt aufwachsen, einer Welt ohne Rassismus.

„Soweit wie die Gesellschaft heute ist, wird am Ende des Tages höchstwahrscheinlich auch mein Kind darunter leiden“, sagte Rüdiger nach den Buhrufen der Tottenham-Fans bei der Generalprobe des FC Chelsea für den Champions-League-Hit gegen Bayern München am Dienstag (21 Uhr/Sky). Für den 26-Jährigen steht fest: „Wenn nicht gehandelt wird, (...) dann haben wir verloren.“

Rüdiger ist längst zu einem Vorkämpfer gegen den Rassismus in den Stadien geworden. Er ist vom einstigen Rüpel zur Führungskraft gereift – auch, weil er immer wieder Opfer wurde. In Jena als Drittligaspieler, in Italien, auf der Insel. Erst am Samstag wieder beim 2:1 gegen die Spurs, als er mit den Tränen kämpfte und kurzzeitig resignierte. „Der Rassismus hat gewonnen!“, sagte Rüdiger bei Sky-Sport, weil genau jene „Fans“, die ihn bereits im Dezember verunglimpft hatten, wieder auffällig geworden waren.

Wie eine Leitfigur

Doch er fand seinen Kampfgeist schnell wieder. „Es muss Widerstand geben“, forderte Rüdiger wie zuvor im Gespräch mit dem Sportinformationsdienst („Taten müssen folgen! Alles andere hilft nichts“). Ja, er fühle sich in seinem Kampf alleine, aber er werde nie aufgeben: „Ich werde immer meine Stimme erheben.“ Allein, um die Spirale hin zur Gewalt zu durchbrechen. „Erst Torunarigha, dann Kwadwo, dann gibt?s Tote“, sagte Rüdiger angesichts des Terrors von Hanau. Es war der Auftritt einer Leitfigur.

Als solche glänzt Rüdiger seit geraumer Zeit auch auf dem Platz, sein Image als „Rocky“ Rüdiger und „Pulverfass“ (Ex-U21-Coach Horst Hrubesch) hat er längst abgelegt. Als Heranwachsender im „harten“ Berliner Stadtteil Neukölln habe er zeigen wollen: „Man ist unverwundbar, man ist hart und alles.“ Inzwischen sei er deutlich entspannter. Rüdiger spricht sehr ruhig, er wägt seine Worte genau ab, immer wieder beschließt er seine Sätze mit dem Wort „easy“ (leicht, locker, einfach).

So abgeklärt organisiert der frühere Profi des VfB Stuttgart auch die Chelsea-Abwehr, überzeugt mit gesunder Härte und unglaublichem Tempo. „Er hilft uns, weil wir viele junge Spieler haben“, sagt Teammanager Frank Lampard. Kann „Boss“ Rüdiger, wie Kumpel und 2014er Weltmeister Jerome Boateng behauptet, auch in der DFB-Elf bei der EM in diese Rolle schlüpfen? „Ich bin hier, ja“, sagt er, „ich weiß, was zu tun ist.“

Und doch sieht er sich, ähnlich wie damals in Berliner Bezirk Neukölln, bei der Nationalmannschaft in der Bringschuld. Rüdiger hat 2017 als Stammspieler den Confed Cup gewonnen, doch seine Turnier-Bilanz ist ausbaufähig. „Ich habe was zu beweisen, das ist so, wie ich fühle“, sagt er: „Wenn man meine Leistungen bei Chelsea und für den DFB vergleicht – da ist der Abstand ein bisschen groß.“

Große Spiele gegen große Gegner wie am Dienstag, wenn es im Achtelfinale der Champions League gegen den deutschen Rekordmeister Bayern München geht, können helfen. Dass er es mit einem „Killer“ wie Robert Lewandowski zu tun bekommt, bringt Rüdiger nicht aus der Fassung. „Ich schlafe generell gut“, sagt er cool. Wäre da nur nicht Djamal.

Bei Chelseas Gegner Bayern setzt sich Rüdigers Nationalteam-Kollege Leon Goretzka schon seit längerem gegen Rassismus ein. Zuletzt hatte er in sozialen Netzwerken Fotos von seinem Besuch im ehemaligen Konzentrationslager Dachau veröffentlicht. Zu den Bildern hatte Goretzka geschrieben: #neverforget und #niewieder. Den Aufschwung der AfD betrachtet der 25-Jährige mit Sorge. Auf die Frage, was der starke Wählerzuwachs der rechtspopulistischen Partei in den vergangenen Jahren bei ihm auslöse, sagte der Profi der Münchner: „Sorge. Man fasst sich an den Kopf und fragt sich, wie das passieren kann. Ich denke aber, dass viele Leute nicht aus Überzeugung, sondern aus Mangel an Alternativen die AfD wählen.“

In dem Interview von „Spox“ und DAZN erneuerte Goretzka seine Forderung an andere Profis, sich im Kampf gegen Rassismus klar zu positionieren. Im „Spiegel“ hatte er gesagt, jeder solle sich an die eigene Nase fassen und den Mut haben, „den Mund aufzumachen“. sid/dpa

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Erstellt:
25.02.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 11sec
zuletzt aktualisiert: 25.02.2020, 06:00 Uhr

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