Forsthochschule

Auf die Bewässerung kommt’s an

In einem Praxissemester entwickelten Studierende in Rottenburg Modelle für platzsparendes Gärtnern in die Höhe für Entwicklungsländer. Jetzt beginnt die Testphase.

13.05.2017

Von Hete Henning

Beim Modell „Gestell“ sind die kleineren Pflanzgefäße oben, die größeren unten. Das überschüssige Wasser in den Kanistern, erklärt Sara Schmiel (links), läuft durch Schläuche in die Kanister darunter. Ganz unten wird es gesammelt und kann oben wieder zum Gießen verwendet werden. Bild: Henning

Beim Modell „Gestell“ sind die kleineren Pflanzgefäße oben, die größeren unten. Das überschüssige Wasser in den Kanistern, erklärt Sara Schmiel (links), läuft durch Schläuche in die Kanister darunter. Ganz unten wird es gesammelt und kann oben wieder zum Gießen verwendet werden. Bild: Henning

Bei der Expo 2015 in Mailand war es ein großes Thema: Vertical Gardening, senkrechtes Gärtnern. Die USA und Israel beispielsweise zeigten in ihren Pavillons große bepflanzte Wände mit ausgeklügeltem Bewässerungssystem – Hightech in Reinkultur. Dass es auch viel einfacher geht, zeigen jetzt Studierende der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg (HFR): Im Rahmen des Studiengangs Ressourcenmanagement Wasser entwickelten sie drei Modelle, mit denen der platzsparende senkrechte Anbau von Gemüsepflanzen auch in Entwicklungsländern möglich ist.

Die Vorgabe für das Praxisprojekt im sechsten Semester hieß „Vertical Gardening“. Im Rahmen der Vorlesung „Internationale Projektpraxis“ sollten sich die Studentinnen und Studenten vor dem Hintergrund der wachsenden Bevölkerung und des geringem Freiraums in städtischen Regionen in Entwicklungsländern Gedanken über geeignete Pflanzsysteme machen und ihre Ideen in die Tat umsetzen.

Einsatzort Slum

„Wir haben Material genommen, das in Entwicklungsländern vorhanden ist“, sagt Sechstsemester Linus Kaminski, also Plastik und Holz. Zur Aufgabe, die Professor Matthias Friedle gestellt hatte, gehörte außerdem ein möglichst sparsames Bewässerungssystem. So sollen beispielsweise die Bewohner von Slums mit wenig Kosten und Arbeitsaufwand die Gelegenheit bekommen, an der Wand oder auf dem Dach ihrer Hütte eigene Nahrungsmittel zu ziehen.

Das Modell „Gestell“ besteht aus Holz, Plastikkanistern unterschiedlicher Größe und Plastikflaschen. Die an der Längsseite aufgeschnittenen Kanister liegen mit der offenen Seite nach oben auf drei Regalebenen, die kleinsten Gefäße oben, die mittelgroßen und größten weiter unten, erklärt Sara Schmiel, die das Projekt Gestell leitet.

Mit Erde gefüllt und an der Unterseite mit Abflusslöchern versehen, dienen die Kanister als Pflanzgefäße. Das überschüssige Wasser läuft durch Schläuche in die Gefäße in der jeweils darunter gelegenen Ebene. Ganz unten wird das Wasser in einer Rinne aufgefangen und kann dann oben wieder nachgegossen werden. Während die Kanister eher für Gemüse geeignet seien, könnten die am Gestell kopfüber hängenden Plastikflaschen mit den abgeschnittenen Böden für Kräuter verwendet werden, sagt Schmiel.

Nicht schön, aber praktisch

Die Funktionalität steht bei den drei Modellen über der Ästhetik, soll heißen: nicht schön, aber praktisch. Gar nicht unattraktiv und auch für hiesige Balkone geeignet ist jedoch das Modell „Paletten“. Dafür hat die Gruppe von Linus Kaminski vier hölzerne Euro-Paletten neben- und übereinander gesetzt und so eine bepflanzbare Wand geschaffen: mit Erde befüllt und hinten mit Unkrautvlies abgedeckt, ist die offene, bepflanzbare Seite nach Süden ausgerichtet. Oben auf den stehenden Paletten, erklärt Kaminski, befindet sich ein Wasserbehälter mit Ventilen, die alle drei bis vier Sekunden einen Tropfen Wasser durchlassen.

Wie sich die Wand möglichst effizient bepflanzen lässt, muss erst noch getestet werden. „In die oberen Spalten zwischen den Brettern kann man kleine Sachen wie Radieschen säen“, sagt Kaminski. Unten, und zwar ganz außen, passen Stangenbohnen, die nach oben ranken können, ohne die anderen Pflanzen zu stören. Dazwischen kommen Salat, Schnittlauch und Erdbeeren, Rucola, Mangold oder Minze.

Die etwa dreißigköpfige Studentengruppe hat von der Hochschule für das gesamte Vertical-Gardening-Projekt ein Budget von 1000 Euro bekommen. Um günstig zu wirtschaften, machten sich die jungen Männer und Frauen auf Sponsorensuche. Mit Erfolg: Die Erde kommt von der Gärtnerei Geiger in Kiebingen, und der Marktladen in Tübingen spendete 160 Setzlinge, darunter neben den bereits genannten Arten auch Brokkoli und Kohlrabi.

Einen hohen Nahrungsmittelertrag erhofft sich auch die Gruppe, die das Modell „Tonne“ entwickelt hat. Das besteht im Wesentlichen aus zwei aufeinander stehenden Regentonnen ohne Boden, die mit Erde gefüllt sind. Eine mit Kompost gefüllte Röhre steht in der Mitte der Tonnen und gibt durch Löcher zusätzliche Nährstoffe ab. Weitere, größere Löcher sind in die Tonnenwand geschnitten. Dort hinein werden Wasserflaschen aus Plastik und ohne Boden gesteckt, die dann mit Setzlingen bestückt werden. Auf die Tonnen gesteckte Rankgitter ermöglichen auch die Kultivierung von rankenden Arten wie Bohnen oder Erbsen.

Es geht auch mit alten Reifen

Das Modell „Tonne“, sagt Björn Loos, „funktioniert auch mit alten Ölfässern und übereinander gestapelten Autoreifen“. Wegen der darin enthaltenen Schadstoffe habe seine Gruppe für das Projekt jedoch Regentonnen aus Kunststoff gewählt.

Nach sechs Wochen der Planung und Herstellung der drei Modelle sind das Gestell, die Palettenwand und die Tonne jetzt frisch bepflanzt. Für die Studenten und Studentinnen heißt es nun, die weitere Entwicklung zu beobachten und die Systeme schließlich miteinander zu vergleichen. Beim Monitoring geht es unter anderem um das Pflanzenwachstum. Um die Effizienz der Bewässerung zu beurteilen, kommen auch Feuchtigkeitsmesser zum Einsatz. „Dabei werden wir wahrscheinlich auch Sachen finden, die nicht so gut funktionieren“, denkt Linus Kaminski. An diesen Punkten könnten dann andere Gruppen ansetzen und die Prototypen weiterentwickeln.

Dies ist ein grafisches Modell für das Modell „Palette“. Die Pflanzwand an der HFR wird gerade erst bepflanzt. Grafik: Linus Kaminski

Dies ist ein grafisches Modell für das Modell „Palette“. Die Pflanzwand an der HFR wird gerade erst bepflanzt. Grafik: Linus Kaminski

Technik ohne Grenzen soll bei der Realisierung helfen

Die Studentinnen und Studenten der Forsthochschule, die sich derzeit intensiv mit dem Vertical Gardening beschäftigen, hoffen, dass sie ihre Modelle gemeinsam mit dem bundesweit agierenden Verein Technik ohne Grenzen in einem oder mehreren Entwicklungsländern aufstellen können. Die Partnerschaft mit dem Verein liefere einen Gewinn für beiden Seiten „und hilft unserem Projekt, letztendlich seinen Zweck zu erfüllen“, so der Student Anton Hertler, der die Öffentlichkeitsarbeit für das Vertical Gardening an der Forsthochschule macht. Den Zweck, „hungrigen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich in Zukunft selbst zu ernähren“.

Der Verein Technik ohne Grenzen half bereits bei der Realisierung der an der HFR entwickelten Trockentoiletten für Ghana und der Solarthermieanlagen für brasilianische Kleinbauern, die ebenfalls ein HFR-Student erdacht hat.