Deutsche Bahn

SWP-Leitartikel: Auf dem Prüfstand

Für Richard Lutz geht es in wenigen Tagen in den Sommerurlaub.

30.07.2021

Von DOROTHEE TOREBKO

Mit dem Zug fährt der Chef der Deutschen Bahn an die Ostsee – zum Entspannen, vor allem aber zum Krafttanken. Die wird er in den kommenden Monaten brauchen. Denn die Bundestagswahl entscheidet sowohl über seine, als auch über die Zukunft seines Konzerns. Egal, welche Partei das Verkehrsministerium nach der Bundestageswahl zugesprochen bekommt: Die Bahn muss loslegen. Sie ist ein zentrales Mittel im Kampf gegen den Klimawandel. Ohne einen Ausbau der Schiene gibt es keine Verkehrswende, klappt es mit der CO2-Reduzierung nicht. Und auf Lutz kommen womöglich Entscheidungen zu, die ihm gar nicht gefallen.

Die Bahn steht vor dem wohl wichtigsten Jahrzehnt ihrer Geschichte. Jetzt entscheidet sich, ob sie endlich mit anderen Verkehrsmitteln wie Flugzeug und Auto mithalten kann oder nicht. Der politische Druck ist enorm. Zudem steht die finanzielle Zukunft des Konzerns in Frage. Seit Jahren muss die Bahn einen Spagat hinbekommen. Einerseits muss sie viel investieren. Sie erneuert Schienenwege, digitalisiert das Netz und schafft einen dichteren Takt im Fernverkehr. Andererseits hat sie dieses Geld aber nicht und ist auf den Bund angewiesen. Der hat auch stets freimütig Geld in den Konzern gepumpt – auf 32 Milliarden Euro ist diese Summe seit der letzten Bahnreform angewachsen.

Schon seit langem gibt es allerdings Klagen aus der Politik, dass das nicht so weitergehen kann. Die Bahn als Fass ohne Boden – das gefällt den Haushältern der Großen Koalition nicht. Und so wurde der Konzern verpflichtet, die Hälfte der Corona-Hilfen des Bundes später wieder zu tilgen. Um das zu schaffen, wird der Konzern irgendwo sparen müssen. Woher das Geld für weitere Investitionen kommen soll, ist unklar.

Schon in der Vergangenheit scheiterten viele Pläne. Weder schaffte es die Bahn, die britische Auslandstochter Arriva zu verkaufen, noch gelang es ihr, die Gütersparte Cargo so auf Kurs zu bringen, dass diese Geld abwirft. Von der angestrebten Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030 ist die Bahn weit entfernt.

Nach der Wahl im September kommt das alles auf den Prüfstand. Welche Auslandtöchter kann die Bahn noch gewinnbringend abstoßen? Wo kann bei Manager-Gehältern und variablen Vergütungen gespart werden? Sollte es bei weiteren Lockdowns – Stichwort vierte Welle – nicht doch Kurzarbeit geben? Sogar eine grundsätzliche Neuordnung des Konzern wäre denkbar.

Bahnchef Lutz hält eine Zerschlagung des Konzerns für eine Diskussion von „vorvorgestern“. Länder wie die Schweiz oder Frankreich hätten gezeigt, dass integrierte Bahn-Systeme richtig seien. Deutschland solle da keinen Sonderweg gehen. Doch die Grünen sowie die FDP haben sich unlängst für eine Reform ausgesprochen. Sie könnten Lutz in Bedrängnis bringen. Klar ist, er muss liefern. Damit es einen wirklichen Wandel gibt, sind mehr Tempo, mehr Innovation und tiefgreifende Veränderungen notwendig.

leitartikel@swp.de

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Erstellt:
30.07.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 25sec
zuletzt aktualisiert: 30.07.2021, 06:00 Uhr

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