Jedes Kamel ein Juwel

Auf dem Hechinger Tiererlebnishof können Besucher Wüstenschiffe hautnah erleben

Mitte Juli führte Rolf Müller seine Albkamele von Rangendingen auf einen ehemaligen Milchviehhof im Gebiet Butzenwasen zwischen Hechingen und Bodelshausen. Mittlerweile haben sich die Tiere im neuen Zuhause eingelebt.

13.09.2016

Von Amancay Kappeller

Die Albkamele fühlen sich in ihrem neuen Zuhause im Butzenwasen wohl. Im Hintergrund Tierpfleger Rolf Müller (rechts) mit einem Mitarbeiter des Förderverein „Albkamele Wüstenschiffe“.Bild: Kappeller

Die Albkamele fühlen sich in ihrem neuen Zuhause im Butzenwasen wohl. Im Hintergrund Tierpfleger Rolf Müller (rechts) mit einem Mitarbeiter des Förderverein „Albkamele Wüstenschiffe“.Bild: Kappeller

Hechingen. Elvis, Humphry, Said, Marisol und Shanaja stehen im Stall und mampfen Brennnesseln. „Da ist viel Vitamin C drin“, erklärt Rolf Müller. Seit 2013 betreibt der 37-Jährige den Hof „Albkamele“ – zuerst in Rangendingen-Höfendorf, seit Juli nun in Hechingen. Umgezogen wurde aus Platzgründen. Bei Knallhitze trottete die kleine Kamel-Karawane mit Begleitern am 19. Juli nach Hechingen. Rund fünf Stunden brauchte der Tross, um die insgesamt 13 Kilometer zurückzulegen.

„Es ist besser angelaufen als gedacht“, freut sich Müller. Ab August kamen pro Tag im Schnitt 40 Besucher auf den Hof. Zum Schauen, aber natürlich auch zum Streicheln. Die jüngste im Bunde, die zweijährige Shanaja, ist ein Trampeltier, Elvis ein Tulu – eine Kreuzung aus Dromedar und Trampeltier. Knuddeln lassen sich aber auch die Hausschweine Zwiebel und Karotte, „Künstlernamen Schnitzel und Kotelett“, erzählt Rolf Müller lachend. Oder Balto, der 14-jährige Hovawart und die drei jungen Ponys.

Kamele verlernen nichts – und sind nachtragend

Gleich neben den Kamelen haben mehrere etwa sechs Wochen alte Strauße ihre Box. Die gefiederten Laufvögel sind der Grundstock für die Zucht, die Müller aufbauen möchte. Geschlechtsreif werden Strauße erst mit ungefähr einem Jahr. 150 Kilo kann ein ausgewachsener Vogel auf die Waage bringen. Im nächsten Jahr sollen nochmal Jungvögel zum Mästen dazukommen. In zwei Jahren will Müller eine Naturbrut aufziehen. Etwa zu dem Zeitpunkt kann er dann auch das erste Straußenfleisch verkaufen. „Der Hahn brütet, nicht die Henne“, erläutert Müller. Bis zu 80 Eier kann ein Hahn auf einmal ausbrüten.

„Unser Hauptanliegen ist es aber, die Tiere zur Schau zu stellen“, betont der 37-Jährige. Seine Schwester Sandra, 36, ist Geschäftsführerin bei den „Albkamelen“ und arbeitet zudem auf dem Bodelshäuser Kastanienhof, mit dem eine Kooperation besteht. In Hechingen haben nicht nur die Kamele jede Menge Platz. „Es ist auch viel schöner, die Tiere auf einer großen Weide zu sehen als so eingepfercht“, sagt Müller, dem artgerechte Tierhaltung sehr wichtig ist. Kamele, berichtet er, „gehören zu den intelligentesten und anpassungsfähigsten Geschöpfen der Erde“. Früher standen sie im Ruf, dumm zu sein. Mittlerweile wissen Tierforscher, dass das ganz und gar nicht stimmt. Laut Müller sind Kamele, zu deren Familie auch die Dromedare und Trampeltiere gehören, „sehr wissbegierig und lernfähig“. Was die Tiere einmal gelernt haben, vergessen sie nicht mehr. Übrigens sind sie auch nachtragend: Wer ihnen Böses angetan hat, der muss sich vor Rache fürchten.

Auch für Kamele ist Beschäftigung ganz wichtig. Rolf Müller praktiziert unter anderem das Targettraining – eine Methode zur Konditionierung von Verhalten bei Tieren. Dabei dient ein „Target“ (Ziel) als Hilfsmittel, etwa ein Ball auf einer Stange. Das Tier soll den Gegenstand mit dem Körperteil berühren, etwa mit der Nase. Für eine bestimmte Abfolge beispielsweise bekommt es dann eine Belohnung. Viel Bewegung brauchen Kamele nicht, sagt Müller. Die Tiere genießen es, auf „ihrer“ Weide zu stehen. Ausflüge machen sie gerne, wenn welche anstehen.

Auf Anfrage macht Rolf Müller mit seinen Wüstenschiffen auch Hausbesuche, etwa bei Geburtstagen, in Schulen, Firmen oder zu Straßenfesten. „Es kommen die komischsten Anfragen“, erzählt Müller. Mit zwei Kamelen hat der Tierpfleger vor Jahren schon einmal einen Gottesdienst besucht.

Auf seinem Hof veranstaltet Müller auch Kindergeburtstage oder das „Grüne Klassenzimmer“ für Schulen und andere Gruppen. Altersgerecht vermittelt Müller Kindern dabei Wissen über seine Tiere. Kleine Teilnehmer unternehmen eine Kamelwanderung, bei der sie die Tiere auch führen dürfen. Reiten können Besucher auf den Wüstenschiffen wohl erst ab nächstem Jahr. Für Verliebte ist ein „Camel-Light-Dinner“ im Angebot.

Aus der Milch seiner Kamele lässt Rolf Müller Seife, Duschbutter und Creme herstellen. Von der heilenden Wirkung der Milch ist er überzeugt. Müllers großer Traum ist es, dass Kamelmilch irgendwann als Naturheilmittel zugelassen wird. Bislang darf man mit Rohmilch keinen Handel treiben. „Aber abgekocht sind viele Vitamine futsch“, sagt Müller. Im Juli hat er mit 30 anderen den „Förderverein Albkamele Wüstenschiffe“ gegründet. Der Verein soll zum Beispiel die tiergestützte Therapie unterstützen. Oder Studien mitfinanzieren, in denen es um das wissenschaftliche Arbeiten mit Kamelen geht.

Auf längere Sicht möchte Rolf Müller in Hechingen auch eine Kamelzucht aufbauen. Geschlechtsreif sind die Tiere mit drei bis sechs Jahren. Er hofft, dass Said und Marisol in naher Zukunft anbandeln. Der vierjährige Said kam 2013 von einer Kamelfarm in Norddeutschland zu Müller. Marisol ist auf den Tag genau gleich alt. Sie wurde im Zirkus Probst geboren. „Die Mädels sind halt Zicken, die Jungs kleine Proleten“, beschreibt Müller das Sozialverhalten der Kamele.

Die Albkamele fühlen sich in ihrem neuen Zuhause im Butzenwasen wohl. Im Hintergrund Tierpfleger Rolf Müller (rechts) mit einem Mitarbeiter des Förderverein „Albkamele Wüstenschiffe“.Bild: Kappeller

Die Albkamele fühlen sich in ihrem neuen Zuhause im Butzenwasen wohl. Im Hintergrund Tierpfleger Rolf Müller (rechts) mit einem Mitarbeiter des Förderverein „Albkamele Wüstenschiffe“.Bild: Kappeller

Fest auf dem Kamelhof

Am Samstag und Sonntag, 17. und 18. September, öffnet der Hechinger Tiererlebnishof im Butzenwasen seine Pforten für das Kamelfest mit umfangreichem Kinderprogramm. Die Tiere können bestaunt und gestreichelt werden, es gibt Luft- und Zirkus-Akrobatik-Vorführungen. Die Westernfreunde Rotfelden bringen dem Publikum die „Körpersprache der Pferde“ näher, Kinder können sich schminken lassen. Am Samstagabend wird ab 20 Uhr live Musik gespielt, es gibt eine Show mit Kamelen, Feuer und Bauchtanz. Am Sonntag gibt es ab 10 Uhr einen Frühschoppen. Weitere Informationen zu den Albkamelen findet man auch im Internet unter www.albkamele.de. Rolf Müller gibt auch telefonisch Auskunft unter 0152/ 376 527 73. Außerhalb der Schulferien ist der Albkamelhof Freitag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr geöffnet.

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Erstellt:
13.09.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 44sec
zuletzt aktualisiert: 13.09.2016, 01:00 Uhr

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