Rottenburg

Atemlose Urteile

11.07.2018

Von Reinhold Burr, Rottenburg

Laut Ankündigung des Referenten sollte an diesem Abend Gelegenheit sein, durch Nachspüren der Vergangenheit die Gegenwart zu verstehen. Viele Zuhörer kamen sicher in dieser Erwartung nach Mössingen.

Um es klar zu sagen: dieses Versprechen konnte der Referent leider keineswegs einlösen. Da war kein Raum für ruhiges Darstellen der erlebten Vergangenheit und Abwägen der verschiedenen Standpunkte. Gerloff gelang es nicht, seine sicher reichen Kenntnisse aus jahrelangem Leben in Israel zur Grundlage zu machen für einen fruchtbaren Austausch über die israelische und unsere deutsche Perspektive.

Statt dessen wirkte er gehetzt, arbeitete mit Schuldzuweisungen (zum Beispiel der letzte Bundesaußenminister habe sich „von dümmster palästinensischer Propaganda leiten lassen“; kritische Anfragen an die israelische Politik bezeichnete er als Antisemitismus oder Antizionismus).

Der Vortrag geriet zu einem atemlosen Verteilen von Urteilen. Gut waren: die jetzige israelische Regierung, die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch Trump und die Aktivitäten Putins in Nahost. Schlecht waren: die Politik der EU, die der Palästinenser sowieso. Kritische Einwände der Zuhörer wurden nicht aufgenommen und erklärend betrachtet, sondern zerpflückt. Vermutlich ist der Referent in seinem idealisierenden Eifer so gefangen, dass er schwierige Aspekte politischer Vergangenheit und Zukunft in Palästina verleugnen muss.

Schade, dass eine gute Gelegenheit vertan wurde, Verstehen und Integration zu fördern.