Kommentar · Landtagswahl

Asyldiskussion spielt der AfD in die Hände

06.01.2016

Von Renate Angstmann-Koch

Bis vor kurzem schien es, als stünde am 13. März ein nur mäßig aufregender Wahltag bevor (siehe „Podien, Promis, Großplakate“). Ein Wahltag, an dem sich entscheidet, ob mit dem landesväterlichen Winfried Kretschmann ein grüner Konservativer in Stuttgart mit der SPD als Juniorpartner weiterregiert. Oder ob mit Guido Wolf wieder ein schwarzer Konservativer für die CDU das Ruder übernimmt. Dabei stünden wahlweise die Grünen oder, wahrscheinlicher, die wohl schwächere SPD für eine Koalition bereit.

Eine Wahl, bei der die FDP, in Umfragen derzeit bei fünf Prozent, auf ihren Wiedereinzug in den Landtag hofft und die Linke einen weiteren Anlauf unternimmt, die Bastion Baden-Württemberg zu knacken – was ihr den Prognosen zufolge schwerfallen dürfte, mag sie auch kommunal- und bundespolitisch stärker geworden sein. Eine Wahl, bei der die CDU ihr vor fünf Jahren knapp verlorenes Direktmandat im Wahlkreis zurückerobern will – gewissermaßen, um außer im Staatsministerium auch in Tübingen wieder aus ihrer Sicht geordnete Machtverhältnisse herzustellen, wie es sie früher gab.

Doch jetzt ist mit der AfD ein neuer Faktor im Spiel. Nach ihrem innerparteilichen Richtungskampf und der Abspaltung der Alfa hatte kaum jemand mehr die marktradikale und nationalkonservative Partei auf der Rechnung. Doch Pegida im Osten, die „Demo für alle“ genannten Aufmärsche in Stuttgart gegen den Bildungsplan der grün-roten Landesregierung und die Debatte über die Flüchtlingspolitik brachten der AfD neuen Zulauf. Er ist so groß, dass es ihr offenbar gelang, in allen siebzig Landtagswahlkreisen Kandidaten aufzustellen – und laut ihrer Homepage auch, für nahezu jeden die erforderlichen 150 Unterstützerunterschriften zu sammeln. Die jüng-sten Umfragen handeln die AfD bei bis zu acht Prozent.

Es lässt sich darüber streiten, wem die AfD am meisten ins Gehege kommt. Mit ihrem Einzug in den Landtag würde eine Neuauflage von Grün-Rot eher unwahrscheinlicher. Doch dürfte es auch die Chancen Klaus Tappesers aufs Direktmandat schmälern, wenn er Stimmen an einen AfD-Kandidaten – nominiert ist der Sprecher des Kreisverbands Tübingen Markus Rölle – abgeben müsste. Selbst Bernhard Strasdeit von der Linken ist nicht davor gefeit, potentielle Wähler an die rechtspopulistische, in Teilen offen rechte Partei zu verlieren, die die Asyl- und Flüchtlingspolitik in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfs stellt.

„Die beiden Partner der großen Koalition in Berlin reden die AfD wieder in die Parlamente.“ FDP-Mann Dietmar Schöning macht aus seiner Empörung über CDU/CSU und SPD keinen Hehl. „Wenn die großen Parteien aufhören, sich bei diesem Thema nur Unsinn um die Ohren zu hauen, kann es gelingen, die Flüchtlingspolitik wieder aus dem Wahlkampf heraus zu halten und vernünftig zu diskutieren.“ Das Thema verunsichere die Menschen, weshalb die AfD mit ihm steht und fällt. Es gebe kein anderes in Baden-Württemberg, das es nahelegen könnte, ausgerechnet AfD zu wählen.