Anomalisa

Anomalisa

Surrealer Puppen-Trickfilm für Erwachsene über die Ängste und Neurosen eines Handlungsreisenden.

11.01.2016

Von Verleih

Anomalisa

Seit „Being John Malkovich“ und „Adaption“ gilt Charlie Kaufman als einer der originellsten amerikanischen Filmautoren. Sein neues Werk ist schon der Form nach eine Spezialität: ein Puppentrickfilm, gedreht in althergebrachter Stop-Motion-Technik. Von Kinderkram ist „Anomalisa“ allerdings weit entfernt. Man sieht Geschlechtsteile und es gibt eine ausgedehnte Sexszene; aber auch das Thema, die Krise eines Manns in mittleren Jahren, dürfte die Kleinen kaum interessieren.

Held des Ganzen ist der Autor eines populären Motivations-Ratgebers, der sich selbst zu nichts mehr motivieren kann. Bedrückt hockt dieser Michael Stone im Hotelzimmer in einer fremden Stadt, wo quälende Erinnerungen an gescheiterte Liebesbeziehungen an ihm nagen. In seiner Depression erscheint ihm die Welt als ein graues Einerlei und die Menschen um ihn herum wie austauschbare, genau, Püppchen (die entsprechend von einem einzigen Schauspieler gesprochen werden). Doch dann weckt in der Hotelbar ein weiblicher Fan sein Interesse, der sich auch prompt aufs Zimmer abschleppen lässt. Der Liebreiz des schüchternen Landeis scheint die Lebensgeister des Trübsalbläsers zu wecken, schon beginnt er Pläne für die Zukunft zu schmieden – oder sitzt er, wie offenbar oft in seinem Leben, bloß einer Selbsttäuschung auf?

Diese Lebenskrisenstudie entwickelt mit der Zeit eine Intensität, die oft vergessen lässt, dass hier keine Menschen, sondern Puppen agieren. Zugleich betont die Trickfilm-Form immer wieder auch das Marionettenhafte der Protagonisten und das Mechanische ihres Handelns. Bildlich erinnert manches an die Großstadt-Gemälde von Edward Hopper, aber auch Hotel-Paranoia à la „Shining“ oder „Barton Fink“ lässt grüßen.

Obwohl im Großen und Ganzen harter Psycho-Stoff, strotzt der Film doch auch vor witzigen und rührenden Szenen: allen voran ein von Michaels Gespielin herzzerreißend gesungenes „Girl Just Want To Have Fun“ und ein Heiratsantrag, in den die Ehekrise schon eingebaut ist. Und der Hotelbett-Sex dürfte, Trickfilm hin oder her, an Realitätsnähe in diesem Kinojahr nur schwer zu überbieten sein.

Diese Männerkrisenstudie im Puppenstubenformat ist für Fans des Ausgefallenen ein Muss.

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Erstellt:
11.01.2016, 17:57 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 00sec
zuletzt aktualisiert: 11.01.2016, 17:57 Uhr

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Elli Emann 29.01.201612:41 Uhr

Selten hat mich in ein Film derart beeindruckt und berührt. Durch die Darstellung mit Puppen wird die Situation des Hauptdarstellers besonders klar erkennbar, im wahrsten Sinne des Worte. Interessant die Szene beim gemeinsamen Hotelfrühstück und die Schlussszene im "trauten Heim", in der das einzig Individuelle eine japanische Puppe ist..... Ich vergebe vier Mal fünf Punkte ! :)

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