Große Momente zum Genießen

Angelique Kerber erfüllt sich mit ihrem Triumph in Melbourne den schönsten Tennis-Traum

Am Tag nach dem bisher größten Erfolg ihrer Karriere wollte Angelique Kerber nur noch schlafen. Doch erst auf dem Heimflug aus Australien sollte es für die neue deutsche Tennis-Queen ruhiger werden.

01.02.2016

Von LARS REINEFELD, DPA

Momente für die Ewigkeit: Am Morgen nach ihrem Triumph posierte Angelique Kerber mit dem Daphne-Akhurst-Memorial-Cup vor dem Government House in Melbourne. Foto: dpa

Momente für die Ewigkeit: Am Morgen nach ihrem Triumph posierte Angelique Kerber mit dem Daphne-Akhurst-Memorial-Cup vor dem Government House in Melbourne. Foto: dpa

Sogar das versprochene Bad im schmutzigen Yarra River ertrug Angelique Kerber nach ihrem historischen Tennis-Coup von Melbourne mit einem strahlenden Lächeln. Deutschlands erste Grand-Slam-Siegerin seit Steffi Graf wusste auch am Tag nach ihrem sensationellen Triumph gegen die Weltranglisten-Erste Serena Williams noch nicht, wohin mit ihrem Glück. "Die Deutschen haben lange gewartet. Es musste ein Grand-Slam-Gewinner her, um Tennis wieder populär zu machen", sagte Kerber. "Und das habe ich jetzt geschafft."

17 Jahre nach dem French-Open-Erfolg ihres Vorbilds Steffi Graf holte die 28-jährige Kerber wieder einen Grand-Slam-Titel nach Deutschland - und dann musste die in Bremen geborene Norddeutsche noch eine Wette einlösen. "Wenn ich das Ding gewinne, springe ich in den Yarra River", hatte Kerber vor dem Turnierbeginn gesagt. Um 9.23 Uhr tauchte sie am Sonntag in das trübe Wasser des Flusses. Lautstark beklatscht von ein paar Ruderern, die bei ihrer Ausfahrt erst einmal verdutzt guckten. "Es war kalt, aber es hat sich gelohnt", sagte Kerber.

Dass ihre Ankunft im Tennis-Olymp in der Heimat wieder einen Boom wie nach Boris Beckers und Steffi Grafs Erfolgen in den 1980er und 1990er Jahren auslöst, ist indes eher unwahrscheinlich. Zu sehr haben sich die Zeiten geändert. Auch nach Sabine Lisickis verlorenem Finale 2013 in Wimbledon ebbte der Hype schnell wieder ab. Doch Kerber sorgte mit ihrer Weltklasse-Leistung beim 6:4, 3:6, 6:4 gegen Williams zumindest dafür, dass viele Deutsche am Samstagvormittag wie in alten Zeiten gemeinsam vor dem Fernseher hockten und mit einer deutschen Tennisspielerin mitfieberten. Die Endphase verfolgten auf Eurosport 2,5 Millionen Fans.

Als es geschafft war, gratulierte sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Mit diesem Sieg haben Sie nicht nur Ihren großen Traum erfüllt, sondern 17 Jahre nach Steffi Graf auch wieder einmal die Hoffnungen von Millionen von Tennisfans auf den Sieg einer Deutschen bei einem Grand Slam-Turnier", schrieb die CDU-Politikerin. Auch unzählige Sportler gratulierten. "Yeeeeeees! Gratulation zu diesem historischen Sieg", schrieb Fußball-Weltmeister Bastian Schweinsteiger bei Twitter. "Angiiiiiie!!! Wahnsinn", meinte Basketball-Star Dirk Nowitzki. "Genieße den Moment für den Rest deines Lebens", schrieb Tennis-Legende Boris Becker.

Glücklich, stolz, aber vor allem völlig müde präsentierte sie sich am Morgen nach dem größten Erfolg ihrer Karriere. "Ich habe keine Minute geschlafen", berichtete die Kielerin. "Ich war noch nie so fertig wie heute." Erst weit nach drei Uhr morgens hatte sie die Rod Laver Arena verlassen, wo sich ihr Leben wenige Stunden zuvor für immer verändert hatte. "Ich bin jetzt in der Historie drin", sagte die neue Nummer zwei der Welt. Bis kurz vor der Abfahrt zu den nächsten Interviews am frühen Sonntagvormittag hatte sie den Triumph in der Bar "One Six One" mit ihrem Trainer Torben Beltz und Physiotherapeut Simon Iden gefeiert. "Ich freue mich auf den Flieger, da schlafe ich 25 Stunden", sagte Deutschlands neue Tennis-Queen.

Vor zwei Wochen schien der Titel beim "Happy Slam" noch außerhalb jeder Vorstellungskraft. "Der neue Champion, den niemand hat kommen sehen", schrieb die Zeitung "The Age". "Es ist alles einfach Wahnsinn", sagte Kerber immer wieder. "Noch schöner, als ich es früher geträumt habe. So ein Gefühl hatte ich noch nie."

Nach dem Fluss-Bad folgte für die deutsche Nummer eins, die mit ihrem Sieg die Zehn-Millionen-Dollar-Preisgeld-Marke knackte, das traditionelle Champions-Foto-Shooting. Im geblümten weißen Kleid posierte sie vor dem Government House unweit des Royal Botanic Gardens.

Um 15.25 Uhr ging es dann mit dem Flug Thai Airways International TG 466 über Bangkok zurück nach Deutschland. Nach ein paar ruhigen Stunden im Kreise der Familie im polnischen Puszczykowo will Kerber morgen in Leipzig zum Fed-Cup-Team stoßen.

Dort wird sie beim Duell mit der Schweiz kommendes Wochenende erstmals erleben, wie sich die Rolle der neuen deutschen Vorzeige-Spielerin anfühlt. Doch Kerber sieht sich bereit für diese Herausforderung. "Jetzt kommt noch einmal ein Höhepunkt in meiner Karriere, ein I-Punkt, noch einmal etwas ganz anderes", sagte Kerber. "Denn Grand-Slam-Siegerin sind nicht viele."

Kerber ist es nun - und sie ist auf den Geschmack gekommen. Auf die Frage nach ihren weiteren Zielen sagte sie forsch. "Ich hoffe, es kommen noch ein paar davon dazu." Zweite der Welt sei sie nun. "Irgendwann mal die Nummer eins zu sein, wäre auch erstrebenswert." Die unterlegene Finalgegnerin Serena Williams, die sich im Stile eines wahren Champions für Kerber freute, traut dieser alles zu. "Nach zwei kommt eins. Ich bin besser auf der Hut", sagte die beste Spielerin der Welt.

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Erstellt:
01.02.2016, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 19sec
zuletzt aktualisiert: 01.02.2016, 06:00 Uhr

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