Corona

Ampel setzt auf Booster

Die Impfkampagne kommt kaum noch voran, die Auffrischung verläuft schleppend. Die drei Parteien, die voraussichtlich die nächste Regierung bilden, wollen das ändern.

28.10.2021

Von Hajo Zenker

Auch immer mehr Jüngere lassen sich gegen Corona impfen. Foto: Sven Hoppe/dpa

Auch immer mehr Jüngere lassen sich gegen Corona impfen. Foto: Sven Hoppe/dpa

Berlin. Die Parteien der wahrscheinlichen Ampel-Koalition haben am Mittwoch ein Zeichen gesetzt: Die „epidemische Lage nationaler Tragweite“ läuft Ende November aus, Lockdowns, Schulschließungen oder Ausgangssperren sind damit vom Tisch. Die Länder erhalten allerdings Möglichkeiten, bis Ende März noch Maßnahmen wie Maskenpflicht oder Kontaktdaten-Erfassung zu treffen. Was man zudem möglichst schnell verändern will, ist die Impfkampagne.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sieht Deutschland beim Impfen „noch lange nicht da, wo wir sein müssten“. Noch im November wolle die Ampel klären, wie diejenigen mit Corona-Impfungen erreicht werden könnten, die bisher falschen Informationen aufsäßen. Dies betreffe die Standard-Immunisierung genauso wie die sogenannte Auffrischungs- oder Booster-Impfung.

Wer soll eine Booster-Impfung bekommen? Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt eine Auffrischung für alle, die mindestens 70 Jahre alt sind. Hintergrund: Laut Berliner Charité besteht bei 40 Prozent der über 70-Jährigen sechs Monate nach der zweiten Dosis kaum noch Schutz. Aber auch für Pflegebedürftige und Pflegepersonal sowie Menschen mit geschwächtem Immunsystem, etwa Krebs-, Transplantations- oder Dialysepatienten, wird der Booster empfohlen. Dies solle frühestens sechs Monate nach der zweiten Dosis erfolgen. Verwendet werden sollen nur noch Bion­tech und Moderna. SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach meint dabei unter Hinweis auf eine neue Studie: „Wechseln wirkt am besten!“ Also Moderna für bisher Bio­ntech-Geimpfte, Bion­tech für Moderna-Geimpfte und Moderna für Johnson & Johnson (J&J)-Geimpfte.

J&J ist dabei ein Sonderfall: Bei dem Vakzin soll ja eigentlich eine Dosis für die vollständige Immunisierung reichen, mit der Delta-Variante aber hat die Wirksamkeit deutlich nachgelassen. Auch die Zahl der Impfdurchbrüche ist überdurchschnittlich hoch. Weshalb laut Stiko unabhängig vom Alter alle, die vor mindestens vier Wochen J&J erhalten haben, einen Booster bekommen sollen. Wer einmal Astrazeneca und einmal Biontech erhielt, also eine sogenannte Kreuzimpfung, ist derzeit nicht für einen Booster vorgesehen. Wer nicht unter die Stiko-Empfehlung fällt, kann sich trotzdem erneut impfen lassen – nach Beratung durch den Arzt. Bund und Länder haben ausdrücklich auch die Auffrischung für jeden, der das möchte, vorgesehen. Insbesondere für die, die komplett mit Astrazeneca geimpft wurden.

Hilft die Impf-Auffrischung tat­­sächlich? Eine Studie aus Israel, die Daten von rund einer Million ­­Senioren über 60 Jahren aus­­gewertet hat, zeigt, dass es bei zweifach Bion­tech-Geimpften mehr als zehn Mal so viele ­­Infektionen und knapp 20 Mal mehr schwere Erkrankungen gegeben hat als bei Dreifach-Geimpften. Bion­tech selbst spricht davon, dass eine Drittimpfung für eine Wirk­­samkeit von über 95 Prozent sorge.

Wie viele Auffrischungen gibt es bereits? Aktuell sind laut Robert-Koch-Institut (RKI) mehr als 1,6 Millionen Booster registriert. In Deutschland wohnen aber allein rund 13 Millionen Menschen, die mindestens 70 Jahre alt sind und die zumeist schon früh in diesem Jahr geimpft wurden.

Wenn ich mir trotz fehlender Stiko-Empfehlung einen Booster geben lasse – wer haftet bei eventuellen Schäden? Das Bundesgesundheitsministerium verweist darauf, dass bei den Corona-Impfungen bundeseinheitlich ein Anspruch auf Entschädigung durch den Staat für alle gesundheitlichen Schäden besteht – wenn ein zugelassenes Vakzin verwendet wurde. Das gelte auch für jede Auffrischungsimpfung.

Bayern-Star Joshua Kimmich will sich wohl erst impfen lassen, wenn es einen Totimpfstoff gibt. Was hat es damit auf sich? Tatsächlich sind Totimpfstoffe, die abgetötete Krankheitserreger erhalten, der Klassiker unter den Vakzinen. Auf dieser Grundlage funktionieren etwa Impfstoffe gegen Diphtherie, Kinderlähmung oder Tollwut. Sie gelten als gut verträglich und könnten Skeptiker, die der neuen mRNA-Technologie von Bion­tech und Moderna misstrauen, überzeugen. Nur: Die bisher erhältlichen Corona-Totimpfstoffe aus China, die im Westen gar nicht zugelassen sind, haben eine schlechte Schutzwirkung. Der Totimpfstoff des französisch-­österreichischen Herstellers Valneva wiederum, der nach eigenen Angaben gut funktionieren soll, wird wohl nicht vor dem Frühjahr des kommenden Jahres zugelassen werden.

Inzidenzwert fast verdoppelt

Die Corona-Lage in Deutschland verschlechtert sich weiter – das zeigt der Blick auf mehrere bundesweite Indikatoren: Die Sieben-Tage-Inzidenz etwa hat sich seit Ende September beinahe verdoppelt. Während vor rund einem Monat um die 60 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und?Woche gemeldet wurden, sind es nun nach Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom Mittwoch 118.

Die Landkreise, die laut RKI die bundesweit höchsten Inzidenzen aufweisen, haben rund fünfmal so hohe Werte: Mühldorf am Inn (592,4), Traunstein (498,6) und Berchtesgadener Land (489,1). Sie liegen allesamt in Bayern. Die Meldungen zu in Kliniken aufgenommenen Corona-Patienten pro 100 000 Einwohner und Woche stiegen von 1,44 am 27. September auf nun 3,07.

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Erstellt:
28.10.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 15sec
zuletzt aktualisiert: 28.10.2021, 06:00 Uhr

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