Ein Sport macht Yards gut

American Football:Regionale Vereine profitieren von Live-Übertragung im Fernsehen

Ein deutscher Superbowl-Champion im vergangenen Jahr, Zuschauerrekorde von Woche zu Woche: American Football wird in Deutschland populärer. Dieser Boom kommt auch bei den Tübinger Red Knights und den Reutlinger SSV Eagles an, die zur kommenden Saison mehr Spieler und Fans erwarten.

03.02.2016

Von MAik Wilke

Ohne Kontakt geht beim American Football nichts. Die Red Knights Tübingen im Heimspiel auf dem Holderfeld gegen Kornwestheim. Archivbild: Ulmer

Ohne Kontakt geht beim American Football nichts. Die Red Knights Tübingen im Heimspiel auf dem Holderfeld gegen Kornwestheim. Archivbild: Ulmer

Tübingen. Für ein erstes Probetraining im American Football müssen Interessierte laut Fabian Märtens das Gleiche mitbringen wie für einen Kindergeburtstag: gute Laune und wetterfeste Kleidung. „Alles andere wird von uns gestellt“, sagt der Vorsitzende des „Supporter Clubs“ der Tübinger Red Knights. Zum ersten Mal wurden zur aktuellen Saison 2015/16 an jedem Sonntag zwei Spiele der National Football League (NFL) im frei empfangbaren deutschen Fernsehen übertragen – mit spürbaren Auswirkungen auf die regionalen Vereine.

Fast keine Trainingseinheit werde bei den Red Knights ohne neue Spieler absolviert. Gerade zu Semesterbeginn kämen auf einen Schlag 20 junge Männer von der Universität zum Probetraining des Oberligisten, sagt der langjährige frühere Headcoach Cesare de Pauli. „Davon bleiben etwa drei bis fünf länger im Verein – das ist ein guter Wert.“ Mit der richtigen Bereitschaft wäre für de Pauli auch eine zweite Mannschaft in Tübingen vorstellbar. Vor allem, weil er den Boom als langanhaltenden Trend betrachtet: „Es kommen viele junge Leute, die den Sport bislang noch nicht richtig kannten. Football wird Fußball in Deutschland natürlich nicht ablösen, aber er bietet eine echte Alternative.“

Für die Eagles des SSV Reutlingen 05 ist der Zulauf sogar überlebenswichtig. Zur Saison 2015 hatten die Adler nur 27 Spieler – zu wenig für den Spielbetrieb in der Bezirksliga. „Wir haben dennoch das ganze Jahr über trainiert. Doch nur Training ist eben nicht so attraktiv für Neulinge“, erklärt Eagles-Assistenzcoach Michael Häring. Fünf bis zehn Spieler schauen mittlerweile pro Monat im Training vorbei, mindestens ein Drittel bliebe dem Team erhalten. Der 2012 gegründete Verein konnte sich deshalb für den regulären Spielbetrieb der diesjährigen Saison anmelden. Dies wird nach Häring wohl auch so weitergehen: „Ich glaube, das ist ein Trend, der sich erst einmal nicht aufhalten lässt.“

Denn das Gute am Football: Für jeden gebe es eine Position – egal ob dünn oder dick, schwach oder kräftig, grob- oder feinmotorisch. Der Kader der Herrenmannschaft besteht aus über 50 Spielern, in acht Jahren als Ritter-Headcoach habe de Pauli erst einem Spieler geraten, aufzuhören. „Ansonsten kann jeder, der genügend Wille mitbringt, diesen Sport ausüben. Die Motivation ist viel wichtiger als Talent.“ Für völlig Untrainierte haben die Red Knights einen speziellen Trainer, der erst einmal die Körperspannung und Beweglichkeit stärkt.

Bis die Neulinge wirklich in alle Abläufe integriert sind, kann es dauern. Erst nach etwa drei Monaten geht ein Spieler auf die richtige Art in den Kontakt mit Gegenspielern, dass er sich nicht verletzt, erklärt de Pauli. Die meisten würden sich vor einem Check automatisch wegdrehen. „Das ist ein normaler Reflex. Aber dadurch dreht man dem Gegenspieler den Rücken zu. Das ist deutlich gefährlicher.“ Im ersten Jahr müssten sich Anfänger daher vor allem auf die eigenen Bewegungsabläufe konzentrieren, erst in der zweiten Saison käme ein besseres Spielverständnis dazu.

Bei Ansagen wie „Strong Wide, Cover 2, Monkey over Rat, Outside Move“ durchaus verständlich. Jede Ansage betrifft eine andere Position – die Spieler müssen aber nicht nur ihren eigenen Laufweg, sondern am besten den gesamten Spielzug kennen, sagt de Pauli: „Das ist, als erledigt man während des Sports eine Rechenaufgabe und telefoniert gleichzeitig mit seiner Mutter.“

Die starken Zuschauerquoten im Free-TV könnten sich auch auf die Besucherzahlen der hiesigen Vereine auswirken. „Zu unseren Heimspielen kommen etwa 300 bis 600 Fans. Das werden in der kommenden Saison vielleicht einige mehr“, hofft Märtens. Schließlich füllt die Saison der Red Knights und der Eagles von April bis September die NFL-freie Zeit.

Etwas zurückhaltender verfolgt Thomas Meyer, Geschäftsführer vom American Football Verband Deutschland (AFVD), die Entwicklung. Er erwartet zumindest für die kommende Spielzeit keinen deutlichen Anstieg gemeldeter Vereine. „Für die bestehenden Klubs ist der Trend gut, weil sie mehr Spieler bekommen. Aber bei uns kommt diese Entwicklung erst mit Verzögerung an.“ Natürlich hoffe der Verband auf einen Mitnahmeeffekt aus der Fernsehübertragung – dieser werde sich laut Meyer aber frühestens zur Saison 2017 wirklich bestätigen lassen.

Superbowl-Parties im dai und Six-Feet-Under

Seit September steigen die Zuschauerzahlen bei den Live-Fernsehübertragungen aus der National Football League. Vor allem 20- bis 40-Jährige hängen gebannt am Bildschirm – am 7. Februar wird der Superbowl in San Francisco ausgetragen, das größte Sport-Event des Jahres mit etwa einer Milliarde Fernsehzuschauer weltweit. Etwas kleiner, aber dennoch mit guter Stimmung wollen die hiesigen Vereine dieses Ereignis feiern. Die Red Knights schauen den Superbowl wie gewohnt im Deutsch-Amerikanischen Institut Tübingen in der Karlstraße 3 – die SSV Eagles im Six-Feet-Under in Reutlingen, Sankt-Peter-Straße 5. Beide Veranstaltungen sind öffentlich.