Corona-Epidemie

Am Ende entscheiden vieles die Bürgermeister

Den genauen Umgang mit dem Coronavirus regelt der Landespandemieplan. Wer ordnet Quarantäne, Absagen und Schließungen an? Ein Überblick.

07.03.2020

Von David Nau

Aktuell ist der Südwesten noch in Phase 1 des Pandemieplans. Darin geht es um die Erkennung und Eindämmung des Virus. Foto: Felix Kästle/dpa

Aktuell ist der Südwesten noch in Phase 1 des Pandemieplans. Darin geht es um die Erkennung und Eindämmung des Virus. Foto: Felix Kästle/dpa

Es ist ein dicker Stapel Papier: 88 Seiten umfasst der aktuelle Influenzapandemieplan des Landes Baden-Württemberg, der auch den Umgang mit dem Coronavirus regelt. Er wird regelmäßig vom Land überarbeitet, zuletzt ist das am Montag passiert. Aber was steht eigentlich in dem dicken Dokument? Welche Maßnahmen plant das Land zum Schutz besonders gefährdeter Personengruppen? Wer ist für was zuständig? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

Welche Ziele verfolgt der Pandemieplan? Die erste Version des Plans wurde zu Beginn der Schweinegrippe-Epidemie im Jahr 2009 erstellt. Er hat vier Ziele: die Ansteckungs- und Sterberate zu senken, die Versorgung erkrankter Personen sicherzustellen, wichtige öffentliche Dienstleistungen aufrechtzuerhalten, zuverlässige und schnelle Informationen für Entscheider und Öffentlichkeit zu sichern. Der Plan soll vor allem Gesundheitsämtern, Krankenhäusern, Altenheimen, Rettungsdiensten und Betrieben bei der Vorbereitung auf eine Epidemie helfen.

Welche Maßnahmen plant das Land für den Fall, dass das Virus sich weiter ausbreitet? Je nachdem, in welcher Phase sich die Epidemie befindet, sieht der Pandemieplan unterschiedliche Maßnahmen vor. Nach Angaben des Sozialministeriums befindet sich Baden-Württemberg weiterhin in Phase 1. Darin geht es vor allem um die Eindämmung des Virus und die Verzögerung der Verbreitung. Maßnahmen sind zum Beispiel die häusliche Isolierung Erkrankter und ihrer Kontaktpersonen, der Ausschluss aus Schulen oder Kitas oder die Absage von Veranstaltungen. Wenn sich das Virus weiter ausbreiten sollte, geht der Plan in Phase 2 über, in der es vor allem um den Schutz besonders gefährdeter Menschen geht, in diesem Fall Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen. Für diese Phase sieht der Plan zum Beispiel Tätigkeitsverbote für Pflegekräfte vor, die möglicherweise infiziert sein könnten. Außerdem könnten in Altenheimen komplette Besuchsverbote verhängt werden, auch für scheinbar gesunde Besucher. In der dritten Phase des Plans geht es darum, schwere Folgen der Epidemie zu vermeiden. Ein Augenmerk liegt darauf, das Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten, etwa durch Tätigkeitsverbote und organisatorische Maßnahmen.

Wer entscheidet über Schulschließungen oder Veranstaltungsabsagen? Dafür sind im Südwesten die Ortspolizeibehörden der Städte und Gemeinden zuständig – also am Ende die Bürgermeister. Sie ordnen entsprechende Maßnahmen auf Vorschlag der Gesundheitsämter an. Sollten landesweite Maßnahmen notwendig werden, kann die Landesregierung etwa flächendeckende Schließungen von Schulen und Kindergärten anordnen. „Diese Befugnisse üben wir aktuell aber nicht aus“, sagt ein Sprecher von Sozialminister Manne Lucha (Grüne). Es sei absolut richtig, dass die Entscheidungen über Schließungen und Absagen vor Ort getroffen würden. „Wir wollen keine Vorgaben machen, die für Calw sinnvoll wären, für Stuttgart aber nicht“, erklärt der Sprecher. Am Ende muss also der Bürgermeister entscheiden. „Das ist nicht ungewöhnlich und im Katastrophenfall auch so“, erklärt Benjamin Lachat, der beim Städtetag als Dezernent für Gesundheit zuständig ist. Er erlebe, dass die kommunalen Verantwortlichen oftmals besonnener reagierten, als zum Beispiel die Wirtschaft.

Wer entscheidet darüber, wer in Quarantäne kommt? Je nach Gesundheitszustand und möglichen Risikofaktoren, wie etwa Vorerkrankungen, entscheidet das Gesundheitsamt, ob Erkrankte in häusliche Quarantäne kommen, oder ob sie stationär im Krankenhaus isoliert werden. Aktuell ist die große Mehrheit der Erkrankten zu Hause. Für die Einhaltung der Quarantäne sind wieder die Kommunen zuständig, erklärt ein Sprecher des Sozialministeriums. „Im Zweifel muss den Isolierten Security vor die Tür gestellt werden.“ Das sei allerdings bisher nicht notwendig: „Bislang halten sich alle an die Quarantäne.“

Heimkehrer aus Südtirol sollen daheim bleiben

Am späten Donnerstag hat das Robert-Koch-Institut die italienische Region Südtirol als neues Risikogebiet eingestuft. In Baden-Württemberg haben sich nach Angaben des Sozialministeriums 40 Prozent aller infizierten Menschen zuvor in der Region aufgehalten. Minister Manne Lucha (Grüne) habe sich deswegen bei Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vehement dafür eingesetzt, die Region als Risikogebiet einzustufen. Die Landesregierung hat Reiserückkehrer aus Südtirol aufgerufen, unnötige Kontakte zu meiden und nach Möglichkeit zu Hause zu bleiben. Das gelte für Personen, die in den vergangenen 14 Tagen in Südtirol waren – unabhängig davon, ob sie Symptome zeigen oder nicht. Schüler, Lehrer, Kindergartenkinder und Erzieher, die in Südtirol waren, wurden vom Kultusministerium aufgefordert, vorsorglich 14 Tage zu Hause zu bleiben. Schüleraustausche und Klassenfahrten nach Südtirol seien ab sofort verboten, teilte das Kultusministerium in einem Schreiben mit.

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Erstellt:
07.03.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 09sec
zuletzt aktualisiert: 07.03.2020, 06:00 Uhr

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