Vielklang-Festival

Alte Musik & Modern Times

Das Abschlusskonzert mit den Meisterklassen der Vielklang-Akademie und insgesamt 28 historischen Instrumenten.

15.08.2017

Von Achim Stricker

Andreas Küppers. Bild: Vielklang

Andreas Küppers. Bild: Vielklang

Ein treues Fanpublikum begleitete dieses Jahr das Vielklang-Festival. Zum Abschlusskonzert am Sonntag – traditionell gestaltet von DozentInnen und TeilnehmerInnen der Vielklang-Akademie – kamen 250 Zuhörer in die Stiftskirche.

Unter den Konzertmeistern Gottfried von der Goltz und Mayumi Hirasaki versammelten sich insgesamt 28 historische Instrumente. Ein großes Streichorchester, vor allem mit Vertretern der Violinfamilie, wechselte mit einem kleineren, dunkler timbrierten Ensemble mit Gamben und Violone. An Cembalo und Truhenorgel waren insgesamt sechs Continuo-SpielerInnen im Einsatz. Gemäß barocker Aufführungspraxis saßen die Streicher in einem fast komplett gerundeten Kreis um die Continuo-Gruppe.

In Klangschönheit, Spielwitz und Detailfreude stand das Lehrer-Schüler-Ensemble dem Vielklang-Orchester nicht nach. Telemanns „Ouvertüre (Suite) des nations anciens et modernes“ karikiert „antike“ und „moderne Nationen“ in aufklärerisch gelehrtem Ulk. Der „alte deutsche Tanz“ ist noch grob und ruppig, der moderne Zeitgeschmack windschnittig und stromlinienförmig. In der Hansestadt Hamburg war Telemann offensichtlich stark nach Skandinavien orientiert: Die „alten Schweden“ veräppelt er zopfig getragen, altrosa gerüscht. Die „modernen Schweden“ dagegen legen sich flott in die Kurve. Noch extremer die „alten Dänen“ – hochtrabend repräsentativ – im Vergleich mit ihren Nachfahren im aalglatten Prestissimo. Im Finale erlaubt sich der chronisch ehegeschädigte Telemann einen chauvinistischen Scherz und erklärt „die alten Frauen“ zur eigenen Nation: eine „greinende Katzenmusik“ in quergestellt schräger Chromatik, lustvoll jaulend auf den Darmsaiten in historischer Stimmung.

Unter der Leitung des Frankfurter Cembalisten und Alte-Musik-Experten Andreas Küppers fand auch wieder die einwöchige „Chorakademie für Laiensängerinnen und -sänger“ statt – wobei ein Großteil bereits langjährige Chor- und Kantoreierfahrung hat. Diesmal kam nur ein 17-stimmiger, aber intonationssicherer Bürgerchor zustande; manche sind seit vier Jahren jeden Sommer engagiert dabei. Küppers hatte ein anspruchsvolles kontrapunktisches Repertoire vorgegeben, darunter Viadanas „Exultate iusti“, Choralsätze von Johann Eccard („Ich lag in tiefer Todesnacht“) und Melchior Franck („Kommt her zu mir alle“) sowie Schütz‘ diffiziles „Lobt Gott mit Schall“.

Oft konzertierte der Chor in eindrucksvollem Wechsel mit einem Vokalensemble aus Studierenden der Vielklang-Gesangsklassen von Britta Schwarz und Klaus Mertens (Viktoria Wilson, Lina Wagner und Sara Wohlhöter, Sopran; Stefan Kahle, Altus; Loic Paulin, Tenor; Jan-Hendrik Jensch, Bariton; Simon Nachtsheim, Bass). Bei einem Kyrie und „Confitebor tibi“ von Monteverdi begeisterten die drei Soprane, Wilson mit frühbarocken Verzierungen wie dem auf der Stelle bebenden Caccini-Triller. Dem „Questa vita mortale“ aus Cavalieris ältestem Oratorium „Rappresentatione di anima“ (1600) gab der Chor tänzerischen Schwung.

Nach der Pause Solo-Arien: Maria Palaska mit Franz Tunders „An Wasserflüssen Babylon“ und Wilson mit der lyrischen Arie „Meint ihr mich“ aus Telemanns „Ino“ (Blockflöten: Clément Gester, Muriel Sendner). Ebenfalls aus „Ino“ die Arie „Ungöttliche Saturnia“, von der grandiosen dramatischen Sopranistin Janina Staub mit großem Opernvolumen und flutender Höhe gesungen. Das Programm endete wiederum mit einem musikalischen Witz: der Serenade „Le dolcezze e l’amerezze della notte“ („Die Freuden und Leiden der Nacht“) des Wiener Hofkapellmeisters Johann Joseph Fux. In „Ronfatore“ gab die Bassgruppe besagten „Schnarcher“ mit vorhersehbarer Unausweichlichkeit.

Die Zugabe war der schönste Abschied vom diesjährigen Vielklang: Janina Staub mit „Tu del ciel“ aus Händels „Il Trionfo“, betörend jubilierend und schwerelos.

Viktoria Wilson. Bild: Vielklang

Viktoria Wilson. Bild: Vielklang

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Erstellt:
15.08.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 36sec
zuletzt aktualisiert: 15.08.2017, 01:00 Uhr

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