Tübingen · „Bewegt Euch“

Also doch: Sport macht glücklich

Wissenschaftliche Studie belegt: Viel Bewegung und soziale Kontakte erhöhen das Wohlbefinden von Kindern.

12.11.2021

Von ST

Jugendliche, die viel Sport treiben, fühlen sich insgesamt weitaus besser als Altersgenossen, die wenig oder keinen Sport machen. Dieser Effekt zeigt sich auch im Tagesvergleich. So fühlen sich Heranwachsende an den Tagen, an denen sie sich viel bewegen, besser als an den Tagen, an denen sie sich wenig oder gar nicht bewegen. Diese Ergebnisse erbrachte eine Studie der Universität und des Universitätsklinikums Tübingen im Auftrag des Vereins „Bewegt Euch“. Die Studie, die als Modellprojekt vom Sozialministerium Baden-Württemberg finanziert wird, zeigt aber auch, dass nur neun Prozent der teilnehmenden Heranwachsenden die WHO-Gesundheitsempfehlung von mindestens 60 Minuten täglicher körperlicher Aktivität mittlerer bis hoher Intensität erreichten.

Täglich 122 Jugendliche befragt

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Studie haben im Sommer vier Wochen lang täglich 122 Jugendliche befragt, die zudem an einer Eingangs- und Abschlussuntersuchung teilgenommen haben. Erste Ergebnisse liegen nun vor. Ausgangspunkt war die Frage, wie sich die Corona-Pandemie mit allen ihren Einschränkungen im Vereins- und Schulsport auf das Bewegungsverhalten, den Medienkonsum, die soziale Einbindung sowie die psychische Verfassung von Jugendlichen auswirkt. Bekannt ist, dass Bewegungsmangel dem Übergewicht Vorschub leistet und ein erhöhtes Risiko für chronisch-degenerative Erkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes bedingt, bei manchen Menschen schon in relativ jungem Alter. Bereits vor der Corona-Pandemie erfüllten 80 Prozent der Heranwachsenden das durch die Weltgesundheitsorganisation empfohlene Mindestmaß an täglicher Bewegung nicht. Es ist davon auszugehen, dass der Bewegungsmangel sich durch die Pandemie noch verstärkte.

Die Vorsitzende des Vereins „Bewegt Euch“, die Tübinger Ärztin Lisa Federle, hatte sich deshalb dafür eingesetzt, auch in der Pandemie Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Kinder und Jugendliche regelmäßig im geschützten Rahmen Sport treiben können. Auch sollten die Heranwachsenden Gelegenheit zu sozialen Kontakten mit Gleichaltrigen haben. Sie wies auf die Kollateralschäden des Sozial Distancing hin. „Nachdem wir uns in den vergangenen Monaten viel um ältere Menschen bemüht haben, wollen wir uns jetzt explizit um Kinder und Jugendliche kümmern“, sagte Federle. Kinder und Jugendliche würden durch mangelnden Sport und fehlende soziale Kontakte physisch und psychisch beeinträchtigt.

Der Sprecher der Studie, Professor Ansgar Thiel, Direktor des Instituts für Sportwissenschaft der Uni Tübingen, betont, dass auch die soziale Vernetzung eine wichtige Bedeutung für die psychische Verfassung von Jugendlichen hat. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass das individuelle Wohlbefinden der befragten Jugendlichen sowohl mit der Anzahl an persönlichen Kontakten als auch der Qualität dieser Kontakte zusammenhängt.“ An Tagen, an denen sie mehr persönliche Kontakte hatten, sei es ihnen besser ergangen, berichteten die Jugendlichen. Darüber hinaus fühlten Heranwachsenden sich besonders an den Tagen wohl, an denen sie mit mehreren Personen Sport gemacht haben.

Ein wichtiges Studienergebnis ist außerdem, so die Schulpsychologinnen Prof. Caterina Gawrilow und Anne Eppinger, dass hoher Medienkonsum auf das Gemüt schlägt. Jugendliche, die im Durchschnitt mehr Medien konsumieren, berichteten von einem geringeren Wohlbefinden.

Quer durch die Disziplinen

An der Tübinger Studie beteiligte sich ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der Sportwissenschaft (Prof. Gorden Sudeck, Prof. Ansgar Thiel, Jannika John und Katja Dierkes), der Schulpsychologie (Prof. Caterina Gawrilow und Anne Eppinger), der Sportmedizin (Prof. Andreas Nieß) und der Kinder- und Jugendpsychiatrie (Prof. Tobias Renner und Ute Dürrwächter). Tübinger Sportvereine und Schulen unterstützten die Untersuchung.