Altpapier · Bündel für die Vereinskasse

Als „Pilotprojekt“ gilt 2018 für Vereine, die nach wie vor im Steinlachtal Altpapier sammeln

Die Hofeinfahrten werden blauer: Nicht nur der Landkreis liefert soeben seine Altpapiertonnen aus, auch die Firma Bogenschütz wirbt um Privatkunden. Mancherorts gibt es im kommenden Jahr also drei verschiedene Altpapiersammler – so auch in Gomaringen, wo nach wie vor die Vereine Zeitungen, Kartons und Verpackungen in Presswagen hieven.

09.12.2017

Von Gabi Schweizer

2018 gibt es die Bündelsammlung in Mössingen noch – auch der Musikverein (hier im Bild) ist nach wie vor dabei. Ob es so bleibt, hängt davon ab, wie viele Bürger weiterhin ihr Papier für die Vereine bündeln. Archivild: Franke

2018 gibt es die Bündelsammlung in Mössingen noch – auch der Musikverein (hier im Bild) ist nach wie vor dabei. Ob es so bleibt, hängt davon ab, wie viele Bürger weiterhin ihr Papier für die Vereine bündeln. Archivild: Franke

Zu den sieben Aktiven gehört der Turn- und Sportverein. Zweimal jährlich sind dessen Mitglieder sammelnd am Start – und die Erste Vorsitzende Karin Larsen hofft, dass es sich auch weiterhin lohnt: „Das ist ein Pilotprojekt“, kommentiert sie das Jahr 2018. Ob die Sportler auch 2019 noch sammeln, hängt stark davon ab, ob die Bürger ihr Altpapier für die Vereine aufheben oder es in die Tonne stopfen. Die Rechnung ist einfach: Je weniger Papier zusammenkommt, desto weniger bleibt übrig, nachdem die Miete für die drei Presswägen und deren Fahrer abgezogen ist. 49 Euro zahlt der Kreis pro Tonne Papier an die Vereine – unabhängig vom aktuellen Marktpreis.

Bis dato kamen pro Sammlung 60 bis 80 Tonnen zusammen, was gutes Geld für die Vereinskasse bedeutete. 600 bis 900 Euro Gewinn konnte der TSV erfahrungsgemäß verbuchen. Bei den Vereinen, die mit weniger Presswägen auskommen, ein größeres Gebiet haben oder mit Traktoren durch die Straßen tuckern, ist die Gewinnspanne noch höher. Vor allem aber ist diese Einnahmequelle eine relativ sichere Bank. Bei einem Fest, so erklärt Larsen, kann das Wetter schlecht sein – dann bleibe man auf dem zuviel eingekauften Zeug hocken. Und auch wenn die Arbeit hart ist: Die TSVler nehmen es sportlich. Auf dem Pritschenwagen durch die Nebenstraßen zu fahren, könne „echt Spaß“ machen. Hinterher serviert der Platzwart Döner oder Gulasch. „Für eine Papiersammlung kriege ich eher Leute, als wenn ich sage, sie müssen bei der Stadionhockete vier Stunden hinterm Grill stehen“, weiß Larsen aus Erfahrung.

Dass Altpapiersammeln ein geselliges Ereignis sein kann, bestätigt Jürgen Machann, Erster Vorsitzender beim Musikverein Mössingen. „Wir machen 2018 weiter und schauen, wieviel Papier noch daliegt“, sagt er und klingt dabei zuversichtlich. Gemeinsam mit anderen Mössingen Vereinen sei es gelungen, so viel Werbung für die Bündelsammlung zumachen, dass nur relativ wenige Bürger überhaupt eine Blaue Tonne bestellt haben. Das Mössinger Stadtgebiet samt Teilorten ist so groß, dass stets drei oder vier Vereine zeitgleich sammeln. Viermal jährlich ist der Musikverein dran – 70 bis 140 Tonnen bekommt er jeweils zusammen. Macht an die 8000 Euro im Jahr. Für den Verein sei es eine „wichtige und zuverlässige Einnahmequelle“, sagt Machann. Leicht verdient ist das Geld nicht: „Man sammelt einen halben Tag nur, um die Pressfahrzeuge zu bezahlen.“ Obendrein ist es, wie etliche Altpapier-erfahrene Vereinsleute erzählen, gar nicht so einfach, an diese Geräte zu kommen und vor allem an passende, die nicht auf Tonnen ausgelegt sind, sondern auch zum Bündel-Draufwerfen geeignet. Ein Gomaringer Gemeinderat mutmaßte jüngst, auf diese Weise bremsten kommerzielle Anbieter die ehrenamtliche Konkurrenz aus. Und auch wenn es nur an der technischen Weiterentwicklung liegt, deretwegen die für Bündel geeigneten Wagen weniger werden: Das Problem bleibt.

Der CVJM Mössingen gehört zu den wenigen Vereinen, die noch mit (Privat-) Traktoren und Lastwagen unterwegs sind. Zwar muss er die Container zahlen, aber die sind günstiger als komplette Presswägen. Größer ist jedoch der Aufwand. „Wir nehmen das Papier ein paarmal in die Hand“, erklärt Vorstand Hartmut Walter. Dass es so viele Helfer gebe, darüber sei man sehr froh. Fielen die drei Bündelsammlungen im Jahr weg, entstünde „ein großes Loch“ in der Vereinskasse.

Noch mehr Geld könnten Vereine momentan machen, würden sie ihr Altpapier nicht an den Kreis, sondern an andere Firmen abliefern. Einige tun das wohl auch, wie Sibylle Kiefer berichtet, die Leiterin des Abfallwirtschaftsbetriebs im Landkreis. Er habe ein „recht attraktives Preisangebot“ bekommen, erzählt Machann. Jedoch kam dieser Wechsel für den Musikverein nicht in Frage: „Wir sind vom Landkreis gut betreut.“ Bei einem privaten Entsorger bestünde das Risiko, nach Vertragsende plötzlich sehr viel schlechter bezahlt zu werden. Diese Unwägbarkeit und der Wunsch, sich mit dem Kreis solidarisch zu zeigen, hält auch viele andere Vereine zurück. Der Kreis unterstützt die Vereine auch, weil er die Altpapiersammlungen gern in öffentlicher Hand behalten möchte. „Eine Verwertung des Altpapieres über den Landkreis trägt dazu bei, die Gebühren beim Restmüll stabil zu halten“, erläutert Kiefer.

Sollte der Kreis durch seine eigene Altpapiersammlung Gewinne machen, profitieren auch die Vereine davon. Jedenfalls hat der Kreistag beschlossen, dass die Verwaltung eine Beteiligung prüfen solle. Dass es einen Gewinn gibt – davon geht Kiefer momentan aus. Der Großhandelspreis liegt derzeit bei rund 100 Euro pro Tonne.

Auch für gewerbliche Sammler ist das interessant. Jedoch: Die Zahl der Blauen Tonnen sei in den vergangenen Jahren nicht deutlich gestiegen, sagt Uwe Bogenschütz, Geschäftsführer beim Grosselfinger Entsorgungsbetrieb. Wie viele es im Landkreis derzeit sind, möchte er nicht sagen. Nur so viel: Seine Firma habe hier nicht einmal halb so viel wie die, die der Landkreis jetzt aufstellt (19 300). Wenn Vereine aufhörten zu sammeln, dann habe das wahrscheinlich auch damit zu tun, dass sie nicht mehr genug Personal fänden – und sicherlich mit der kommunalen Blauen Tonne. Trotz der üblichen Marktschwankungen schätzt er den Altpapierpreis als relativ stabil ein.

Jedoch: Es gibt insgesamt weniger Altpapier als noch vor ein paar Jahren. Uwe Kärcher war seit 1997 beim Musikverein Dußlingen für die Bündelsammlungen zuständig und hat beobachtet, wie der Anteil der Zeitungen schrumpfte und dafür die (leichteren) Pappkarton-Berge wuchsen. „Das ist auch ein Thema der digitalen Medien.“ Wenn neben den gewerblichen nun auch noch die kommunale Tonne kommt, dann, so fürchtet der Verein, lohnt sich das Sammeln nicht mehr. Zum Jahresende zieht er darum einen Schlussstrich. „Wir haben uns das nicht leichtgemacht“, betont Kärcher. Aber von den 35 Tonnen, die erfahrungsgemäß zusammenkämen, gingen 20 allein für die beiden Pressfahrzeuge weg, zwei bis drei für die Verpflegung. Macht unterm Strich noch 600 Euro. Hinzu kommt das Personalproblem: „Wir haben viele ältere Mitglieder ab 45 Jahren und wenige junge.“ Den ganzen Tag lang schwere Kartons und Bündel hochwuchten – das könne einfach nicht jeder. Manche wögen bis zu 30 Kilo – auch wenn Vereine immer wieder darum bitten, sie höchstens halb so schwer zu machen.

Die Lücke im Budget stopft der Verein, indem er sich um die Altglascontainer im Ort kümmert – reihum ist im wöchentlichen Wechsel jede/r mal dran mit Saubermachen und Müllentsorgen. Der Kreis hatte diesen Job den Vereinen angeboten, um Altpapier-Verluste zu kompensieren. In Dußlingen sind die Sportfreunde fortan die einzigen, die sammeln – was bedeutet, dass es nur noch fünf Termine im Jahr geben wird.

In Bodelshausen ist schon jetzt Schluss mit den Vereins-Sammlungen. Der VfB hat sich zurückgezogen, weil es ihm zu viel wurde (wir berichteten): 800 ehrenamtliche Stunden im Jahr, schwankende Papierpreise, die schwierige Organisation, Probleme mit den Fahrzeuganbietern – er konnte und wollte die Bündelsammlungen nicht mehr leisten. Zuletzt war der VfB alleiniger Sammler und somit besonders eingespannt – alle anderen Vereine waren schon zuvor abgesprungen.

Komfortabler dran sind die Mössinger, Gomaringer und Ofterdinger, deren Papier nach wie vor an zehn Terminen von Vereinen eingesammelt wird. In Nehren gibt es immerhin neun Sammeltermine. Jetzt hoffen die Vereine darauf, dass die Bürger nach wie vor ihr Papier bündeln. Übrigens sind auch Kartons gern gesehen – selbst wenn der Kreis rät, das leichte und sperrige Zeug in die Tonne zu stecken. Kartons seien „besser als nichts“, findet Karin Larsen.

Kreis musste gewerbliche Sammler zulassen

2012 wurde das „Kreislaufwirtschaftsgesetz“ geändert. Damit durften auch gewerbliche Anbieter Altpapier von Privathaushalten sammeln. Der Kreis versuchte im darauffolgenden Jahr, dies gerichtlich zu untersagen, scheiterte aber im Sommer 2016 vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen. Weil der Kreis befürchtet, gewerbliche Anbieter könnten aussteigen, falls eines Tages der Papierpreis sinkt, stellt er nun selbst eine Blaue Tonne zur Verfügung – so will er seiner Entsorgungspflicht nachkommen. Gleichzeitig unterstützt er die Vereine, indem er auf seiner Homepage folgendes vorschlägt: „Nutzen Sie die Altpapiertonne für Kartonagen, Pappe, Papiertüten und Papierschnipsel. Das schwere hochwertige Material wie Zeitungen, Kataloge, Werbebroschüren und Illustrierte bündeln Sie weiterhin für die Sammlung durch die Vereine.“ Im Steinlachtal haben 10 bis 16 Prozent der Haushalte eine Blaue Tonne bestellt, in Mössingen sind es 12 Prozent. Wieviele Blaue Tonnen von gewerblichen Anbietern hinzukommen, ist nicht bekannt.

Zum Artikel

Erstellt:
09.12.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 5min 14sec
zuletzt aktualisiert: 09.12.2017, 01:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter los geht's
Nachtleben, Studium und Ausbildung, Mental Health: Was für dich dabei? Willst du über News und Interessantes für junge Menschen aus der Region auf dem Laufenden bleiben? Dann bestelle unseren Newsletter los geht's!