Klassisch

Alle Sinfonien Bruckners

Anton Bruckner war ein skrupulöser Komponist, der ständig an seinen Werken gefeilt hat.

04.11.2021

Von Burkhard Schäfer

Bild: Volker Weihbold

Bild: Volker Weihbold

Ulm. Entsprechend viele Fassungen gibt von seinen Sinfonien. Das Bruckner-Orchester Linz und sein Dirigent Markus Poschner haben nun erstmals in der Tonträgergeschichte das Projekt in Angriff genommen, alle 19 überlieferten Versionen der Sinfonien auf CD zu präsentieren. Zum Auftakt ist jetzt bei Capriccio (Vertrieb: Naxos) die 6. Sinfonie in A-Dur aus dem Jahr 1881 erschienen. Damit ist den Musikern ein Start nach Maß gelungen, der neugierig macht.

Wie kam es zu diesem Mammut-Projekt?

Markus Poschner: Es war uns sehr wichtig, eine Gesamteinspielung vorzulegen, die interpretatorisch aus einem Guss ist und mit all den typischen Klischees und Missverständnissen der Bruckner-Rezeption aufräumt. Tatsächlich wurde noch nie den verschiedenen Fassungen gleichrangig Aufmerksamkeit geschenkt, handelt es sich dabei ja nicht nur um kleinere Umänderungen, sondern teils um völlig eigenständige Werke. Für mich persönlich ist dieses Projekt die beste Belohnung für jahrelange intensivste Arbeit an einer authentischen Aufführungspraxis der Werke Anton Bruckners.

Was zeichnet das Bruckner-Orchester Linz aus?

Als Oberösterreicher sind wir natürlich stark verwurzelt in der hiesigen Volksmusik, einer ganz eigenen Art zu klingen, zu spielen und zu phrasieren. Viel davon findet sich eigentlich in allen Sinfonien Bruckners wieder, der diesen speziellen „Ton“ seiner Geburtsregion nie ganz ablegen konnte. Durchweg bilden Polka-Rhythmen, Ländler und andere Tänze die Grundlage für seine Kompositionen. Wenn man so will, hört man bei uns diesen ganz speziellen „Swing“, den ich so woanders nie erlebt habe.

Warum sind Sie mit Bruckners eher unspektakulären 6. Sinfonie gestartet?

Die Sechste würde ich keinesfalls als unspektakulär bezeichnen, sie ist in Bruckners Schaffen allerdings ein absolutes Unikum und steht konzeptionell völlig alleine da. Er versuchte mit ihr scheinbar Abstand zu finden zu allem, was bisher war, dafür spricht allein schon die große Pause nach der Fünften. Für mich ist die Sechste ein Werk der absoluten Extreme, einerseits fröhlich und „keck“, wie Bruckner selbst sagte, bis zur Ausgelassenheit und dann doch wieder gefangen in tiefster Melancholie und abgründiger Sehnsucht. Eine prachtvolle Sinfonie, die immer schon unterschätzt wurde. Daher für uns der ideale Startpunkt.