„Wenn man in der Altstadt aufgewachsen ist, dann gehört ein Gang über den Weihnachtsmarkt einfach zum Advent. Und natürlich trinkt man dabei einen Glühwein, um seinen Verein zu unterstützen“, sagt Gisela Gugel. Der Verein, das ist in ihrem Fall der Musikverein Derendingen, wo Ehemann Eugen Gugel Fahnenträger war und Kinder, Neffen und Enkel diverse Blasinstrumente spielen. Etwa ein Fünftel seines Jahresetats erwirtschaftet der Derendingen Verein beim Weihnachtsmarkt, sagt Vorsitzender Andreas Hönes. Bei Ebay hat der Verein vor drei Jahren einen Würstchenbudenanhänger erstanden und spart sich so den mehrstündigen Aufbau eines Holzhäuschens. „Neben den Altpapiersammlungen ist der Weihnachtsmarkt bei uns sehr wichtig, um unsere Jugendarbeit zu finanzieren“, sagt Hönes. Posaunistin Jenny Jetter ist eine von 70 Helferinnen und Helfern im Verein. Die Verwaltungsangestellte brät gut gelaunt Rote Würste. „Bald ist meine vierstündige Schicht vorbei und ich kann selbst noch ein wenig auf dem Markt bummeln“, freut sich die 31-Jährige.

Der Tübinger Weihnachtsmarkt in Bildern

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Nebenan bekommen Adrian Danner und Moira Wagner ein Gefühl dafür, wie man Mandeln brennt. „Man darf sie nicht zulang, aber auch nicht zu kurz drin lassen. Das ist ein Zeitraum von ein paar Sekunden, in dem sie genau richtig werden“, wissen die Zwölftklässler der Walddorfschule. „Wenn man die Mandeln nur ein paar Sekunden zu lange im Topf lässt, klumpen sie. Sie schmecken dann zwar noch gut, aber man kann sie nicht mehr verkaufen, sondern nur noch selber naschen“, erzählt Wagner. Gut, dass die Schülerinnen und Schüler bereits beim Martinimarkt geübt haben.

Ein paar Meter weiter verkauft Lehrerin Anke Kerber-Strangmann von der Rudolf-Leski-Schule der Sophienpflege in Pfrondorf mit ihren Schülern 15 Kilogramm Plätzchen, die sie gebacken und verpackt haben. 500 Gramm wiegt jedes Päckchen. „Einige Leute kommen seit Jahren extra dafür auf den Markt“, sagt Kerber-Strangmann. Schüler Chris Hermann übt Kopfrechen, wenn er das passende Rückgeld aus der Kasse suchen muss.

Noch ein recht junger Verein, der erst zum zweiten Mal beim Markt ist, ist der Rugby-Club. Erst seit 2014 gibt es den Verein, der seit diesem Jahr eine Abteilung des TSV Hirschau ist. Am Glühweinstand suchen Hans Schadt und Alexander Reiling auch nach neuen Mitspielern für ihre Mannschaft, die in der dritthöchsten deutschen Klasse spielt. „Wenn die Männer etwas Alkohol getrunken haben, sagen sie schneller bei zu“, sagt Reiling lachend. Er selbst habe den Sport in einem Sommer gelernt, nachdem er in der Altstadt von seinen jetzigen Mitspielern angesprochen wurde. Mitspielerin Sonja Sauter ist auf der Suche nach Mitspielerinnen für die Frauenmannschaft.

Der Tübinger Weihnachtsmarkt ist aber auch ein Ort, an dem Menschen wegen ihrer Zweitberufe auftauchen. Cornelia Mosch ist Zahntechnikerin, auf dem Weihnachtsmarkt verkauft die Balingerin aber seit 23 Jahren eigene Goldschmiedearbeiten. Geschickte Hände brauche man in beiden Berufen, meint sie.

Leierkastenmann Werner Steinhart ist eigentlich Milchbauer. 60 Kühe stehen in seinem Stall in Hayingen auf der Alb. Alle sechs Wochen zieht der Bauer Zylinder und Fliege an und spielt Leierkasten für den Tübinger Förderverein für krebskranke Kinder. Meist in Altersheimen, aber der Tübinger Weihnachtsmarkt ist seit drei Jahren sein Fixpunkt. Zur Drehorgel kam er über den Volkstanz. Ursprünglich war die Drehorgel musikalische Begleitung einer Tanzgruppe. Doch als der bisherige Drehorgler aufhörte, übernahm Steinhart seinen Leierkasten. Ein Kindheitstraum, denn eigentlich wollte Steinhart immer ein Instrument spielen, doch auf dem Hof gab es immer zu viel Arbeit. Erst nach dem der Hof offiziell an den Sohn übergeben war, blieb Zeit für die Musik.

Imker Siegfried Hipp aus Horb ist im Brotberuf Modellbauer bei Daimler, wollte aber immer Landschaftsgärtner werden. Auf dem Weihnachtsmarkt verkauft er eigenen Honig, Kerzen und selbstgebrannte Streuobstschnäpse. Seine Hütte für den Markt hat er selbst konstruiert. „Dabei kam mir jetzt wieder mein Beruf als Modellbauer zu Gute.“