Ranking
Aktivisten contra Kunstbetrieb
Die Rangliste „Power 100“ gilt als ein Gradmesser für die Machtverhältnisse in der globalen Kunstwelt.
London/Berlin. Proteste gegen Millionenspritzen umstrittener Pharmakonzerne, Debatten um geraubte Kolonialobjekte, Kritik am west- und männerzentrierten Blick auf die Kunstgeschichte: Proteste erschüttern den internationalen Kunstbetrieb. Das Misstrauen gegen die Macht des Geldes und gegen eingefahrene Positionen wird größer. Das zeigt die neue „Power 100“-Rangliste 2019. Das Kunstranking listet die nach Meinung einer internationalen Jury wichtigsten Player und Debattenführer in der weltweiten Kunstszene auf.
Die Macht in der Kunst sei „nie weniger absolut und fluider“ gewesen als zur Zeit, resümiert das britische Kunstmagazin „ArtReview“. Museen, Galerien, Messen und Auktionshäuser würden „gestört durch laute, lebendige und insistierende andere Stimmen“. Allerdings räumt „ArtReview“ auch ein: „Das bedeutet nicht, dass alle alten Bastionen einstürzen und die Kunstwelt plötzlich ein Modell für Gleichberechtigung geworden ist.“
So steht auf Platz eins in diesem Jahr Glenn D. Lowry, Direktor des frisch sanierten Museums of Modern Art (MoMA) in New York. Lowry wagte in einem der wichtigsten Kunstmuseen der Welt das Experiment, eingefahrene Wege zu verlassen und nicht mehr in Ehrfurcht vor Picasso und Co. den Blick auf andere Kontinente zu vernachlässigen.
Aber auch Lowry ist Teil der alten Kunst-Elite. Das MoMA ist auch nicht das erste Museum, das Kunst aus Afrika oder Asien sichtbar macht und die lineare Erzählung einer männlich und westlich geprägten Kunstgeschichte infrage stellt.
Wie Künstler mächtige Museen unter Druck setzen können, zeigt das Beispiel der US-amerikanischen Star-Fotografin Nan Goldin. Sie schnellte von Platz 19 auf Rang zwei hoch. Goldin gehört zur Protestbewegung gegen die milliardenschwere Pharmaunternehmer-Familie Sackler. Als Mäzene hatten die Sacklers Millionen in Museen gepumpt, bis sie wegen der Herstellung eines stark abhängig machenden Schmerzmittels in Verruf gerieten. Auf Druck Goldins und ihrer Mitstreiter beendeten der Louvre in Paris und die Tate in London die Zusammenarbeit mit den Sacklers.
Auch die deutsch-japanische Video-Künstlerin Hito Steyerl, dieses Jahr wieder auf Platz vier, machte bei ihrer Schau in der Serpentine Gallery in London Front gegen die Sacklers. dpa