Tübingen

Adliger Standpunkt

Kritik an der wissenschaftlichen Begutachtung in der aktuellen Debatte um Straßennamen in Tübingen.

08.02.2023

Von Philipp Haller, Tübingen

Im Abschlussbericht der Kommission zur Überprüfung der Tübinger Straßennamen wird Herzog Ulrich wohl auch heute noch von einem adeligen Standpunkt aus bewertet: Johannes Großmann verurteilt Herzog Ulrichs Mord an einem anderen Adeligen, was zu dessen Zeit schon zu einem Aufschrei im Adel geführt hatte.

Ganz anders sieht es Großmann wohl, wenn es um gewöhnliches Volk, also nicht-adelige Bauern geht. Herzog Ulrich ließ die früh-demokratische Bauernbewegung „Der Arme Konrad“, brutal niederschlagen. Zehn Anführer der Bewegung ließ er köpfen, und ihre Köpfe teilweise zur Abschreckung auf Spieße stecken. Denkmäler in vielen kleineren Orten erinnern namentlich an diese Zehn. 1600 Bauern wurden verhaftet und teilweise gefoltert.

Großmann erwähnt das alles gar nicht, sondern bleibt in seinem Abschlussbericht abstrakt und schwammig: Was seine Rolle in der Niederschlagung des Bauernaufstands angehe, wären die Quellen unklar und die Moralvorstellungen andere gewesen damals – keine Umbenennung. Aber nicht nur der Geschichtsverein Köngen präsentiert auf seiner Homepage klare Daten und Quellen. Als Tübinger Professor braucht man sich wohl heute immer noch nicht mit dem Bauernvolk abzugeben.