Corona

Abzocke mit falschen Firmen

Vor dem Landgericht München steht ein 31-jähriger Mann, der für 91 erfundene Betriebe 2,5?Millionen Euro an Unterstützungsgeldern ergaunern wollte.

12.01.2021

Von PATRICK GUYTON

Die Corona-Hilfen, die nach dem Willen der Politik möglichst rasch und unbürokratisch an Betroffene ausgezahlt werden sollen, ziehen auch Kriminelle an. In München hat am Montag vor dem Landgericht der Prozess gegen einen Mann begonnen, der in einem bislang einzigartig großen Ausmaß versucht haben soll, Corona-Soforthilfe zu beantragen und einzustreichen.

Dem 31 Jahre alten T.Y. wirft die Staatsanwaltschaft vor, 91 Mal zu Unrecht Geld beantragt zu haben. Angeklagt ist er wegen Subventionsbetrugs.

Für die Anträge hatte Y. teils die Namen von existierenden und teils von fiktiven Firmen verwendet. In München etwa wollte er für eine „Backparadies GmbH“ 49?000 Euro und für eine „Antriebsysteme GmbH“ 35?000 Euro haben. In Berlin wiederum sollte eine „Manufaktur GmbH“ zwei Mal je knapp 15?000 Euro bekommen. Insgesamt wollte der Angeklagte laut der Staatsanwaltschaft auf diese Weise rund 2,5 Millionen Euro eintreiben.

91 Anträge in zwei Wochen

Die Betrugsmasche in großem Stil hatte der gebürtige Gelsenkirchener nach den Recherchen der Ermittler ausgesprochen dreist und akribisch ausgetüftelt. Die Anträge auf Corona-Soforthilfe stellte er in den Bundesländern Bayern (23 Fälle), Nordrhein-Westfalen (32), Baden-Württemberg (2), Saarland (4), Hessen (6) sowie Berlin (24).

Dabei ging im Frühjahr des vergangenen Jahres alles rasend schnell: Der erste Antrag wurde in NRW am 29. März gestellt, der letzte in Berlin am 14. April. Allein in München beantragte Y. laut den Ermittlungsergebnissen an einem einzigen Tag, dem 5.?April, die Corona-Soforthilfe für 21 angebliche Firmen.

Dafür verwendete Y. ganz unterschiedliche Identitäten, er hat nach Angaben der Staatsanwaltschaft eine Vielzahl an Kopien von Personalausweisen und Reisepässen von ganz unterschiedlichen Personen besessen.

Sämtliches Geld sollte auf das Konto des Angeklagten bei der Sparkasse Dortmund eingezahlt werden. In drei Fällen war er damit auch erfolgreich, sodass knapp 68?000 Euro auf seinem Konto eingingen. Da wurde offenkundig die Bank stutzig und meldete die Vorgänge den Ermittlern.

Auch hatte Y., dessen letzter Wohnsitz in London war, detailliert geplant, wie er die erhofften 2,5 Millionen Euro waschen wollte: Von der Dortmunder Bank aus leitete er schon 36?500 Euro auf ein ausländisches Konto der Kryptowährungsbörse LiteBit weiter. Dort wiederum ließ er das Geld in unterschiedliche Kryptowährungen tauschen. Wären ihm die Ermittler nicht auf die Spur gekommen, so wäre munter noch viel mehr Geld geflossen?– in mindestens zehn Fällen hatte der Angeklagte schon aus verschiedenen Bundesländern Bewilligungsbescheide erhalten, weitere Auszahlungen standen also unmittelbar bevor.

Nachdem die mutmaßlichen massiven Betrugsabsichten aufgeflogen waren, landete Y. am 15.?Mai 2020 in Untersuchungshaft in München-Stadelheim. Dort sitzt er bis heute ein.

Selbst aus der Untersuchungshaft heraus hat er laut Anklage versucht, auf kriminelle Weise weiter an Geld zu kommen: Er wollte fiktive Mahnbescheide über Summen von 250?000 bis 1,7?Millionen Euro verschicken – ausgerechnet an seinen Pflichtverteidiger, den zuständigen Staatsanwalt und die damals ermittelnden Kripo-Beamten. Die Briefe wurden aber vom Personal der Justizvollzugsanstalt abgefangen, der Verteidiger ist nun ausgewechselt.

850 Ermittlungsverfahren

Die Corona-Pandemie bietet Kriminellen somit ein weiteres Betätigungsfeld. Künftig werden sich die Gerichte wohl häufiger mit Betrug bei Corona-Hilfs- und Unterstützungszahlungen beschäftigen müssen.

Laut dem Bundeskriminalamt nutzen Kriminelle die Situation aus, „um sich finanziell zu bereichern“. Bundesweite Zahlen gibt es derzeit nicht. Für Bayern berichtet das Landeskriminalamt von 1400 Verdachtsfällen und das Justizministerium von knapp 850?Ermittlungsverfahren.

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Erstellt:
12.01.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 41sec
zuletzt aktualisiert: 12.01.2021, 06:00 Uhr

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