Tübingen

Abwägen

18.11.2017

Von Harald Petermann, Tübingen

Wie Politik aussieht, die nahezu vollständig vom Bauchgefühl und nicht vom Kopf gesteuert ist, macht uns Trump in diesen Zeiten eindrucksvoll vor. Ich gebe zu, beim Thema Au-Brunnen sagt mein Bauch zunächst auch „Wie kann man bloß ...“. Doch bei einem rationalen Abwägen komme ich zu einem anderen Ergebnis. Der Brunnen wurde seit Jahrzehnten nicht mehr gebraucht und stünde auch bei einer Auflösung des Wasserschutzgebiets noch als Notbrunnen zur Verfügung. Zudem ist das Gebiet innenstadtnah und verkehrstechnisch voll erschlossen. Unter Artenschutzaspekten besitzt das Gebiet keinen besonders hohen Status. All das wurde wissenschaftlich beleuchtet.

Die alternativen Gewerbeflächen, die Tübinger Betrieben Entwicklungsmöglichkeiten bieten sollen, bedeuten dagegen allesamt einen Verlust guter landwirtschaftlicher Böden. Schon heute ist unser ökologischer Fußabdruck außerhalb der Landesgrenzen enorm, wird ein Großteil unserer Nahrungsmittelversorgung in Entwicklungsländern produziert. „Fluchtursachen bekämpfen“ beginnt auch hier, in dem wir unsere Wiesen und Äcker wieder als wichtige lokale Nahrungsmittelressource und nicht nur als Brachland für die Ausweitung der Städte begreifen. Ich würde mir wünschen, dass unsere Lokalpolitiker und engagierten Mitbürger im Konflikt um die Gewerbegebiete mehr Energie auf ein rationales Abwägen von Argumenten verwenden würden, statt Stimmung und Ängste zu schüren und Andersdenkende zu diffamieren.

Letzteres nennt man übrigens Populismus.