Schulferien

SWP-Leitartikel: Absurdes Theater

Die Landesregierung von Baden-Württemberg gibt in diesen Tagen ein erstaunliches Schauspiel zum Besten.

02.12.2020

Von AXEL HABERMEHL

Stuttgart. Zum Thema Schulferien führt Grün-Schwarz ein absurdes Theater in vier Akten auf. In den Hauptrollen: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), Kultusministerin und CDU-Spitzenkandidatin zur Landtagswahl Susanne Eisenmann, dazu, als zahlreiche Statisten, die Familien von anderthalb Millionen Schülern und Lehrern.

Erster Akt: Eisenmann nennt den Vorschlag, die Weihnachtsferien zwei Werktage früher als geplant zu beginnen, damit Familien vor dem Fest in freiwillige Isolation gehen können, ein „kluges Vorgehen, für das vieles spricht“. Sie betont aber, sie ordne dieses Vorgehen nicht landesweit an, denn es drohten Betreuungsprobleme für Eltern. Schulen könnten jedoch freiwillig bewegliche Ferientage ansetzen. Zweiter Akt: Kretschmann beschließt mit allen Ministerpräsidenten und der Kanzlerin, dass die Ferien eben jene zwei Werktage früher starten. Dritter Akt: Eisenmann legt ein Veto ein, man verhandelt. Vierter Akt: Kretschmann behauptet, man habe einen „guten Kompromiss“ geschlossen.

Dieser Kompromiss besagt nun ungefähr, dass an den letzten Schultagen kommen kann, wer will. Der Rest bleibt halt zuhause. Außer die Lehrer, die kommen gefälligst. Die Schüler, jedenfalls die jüngeren, werden nun also wohl, wie jedes Jahr an den letzten Tagen vor Weihnachten, gemeinsam Plätzchen essen, Filme schauen, vielleicht ein bisschen wichteln. Das kann ganz gemütlich werden, jedenfalls gemütlicher als im Regierungslager, wo man offenbar – Advent hin, Pandemie her – beschlossen hat, die heiße Phase des Wahlkampfs einzuläuten.

Es ist ein groteskes Stück grün-schwarzer Politik, das hier aufgeführt wurde. Denn es hinterlässt nur Verlierer. Zuvorderst den voreilig vorgepreschten Ministerpräsidenten Kretschmann, der sich von seiner Ministerin hat abkochen lassen. Dabei ist die Idee gut: Eine Woche vor Weihnachten reduzieren alle, die im Familienkreis feiern wollen, ihre Kontakte. So mindert man das Risiko, dass sich ein Kind am letzten Schultag das Coronavirus einfängt, nichtsahnend unterm Christbaum die Familie infiziert, und an Dreikönig der Opa auf der Intensivstation liegt.

Kultusministerin Eisenmann hat die Idee nicht überzeugt – und sie hat sich durchgesetzt. Trotzdem hat auch sie verloren. Sie erntet jetzt denselben Spott wie ihr Regierungschef, dazu die Wut jener, die ohnehin finden, die Corona-Schulpolitik sei missraten. Dabei hatte die Ministerin neben der ihr eigenen Konflikthärte einige kluge Fragen eingebracht: Was, wenn Eltern keinen Urlaub mehr übrig haben? Werden zig Schüler bunt gemischt in eigentlich geschlossenen Schulen notbetreut? Könnte es sein, dass sich Jugendliche nicht altruistisch eine Woche isolieren, sondern sich lieber ins Shopping-Getümmel stürzen?

Beide Seiten hatten Argumente. Bleiben aber wird der Eindruck eines unwürdigen Hin und Her, eines Wahlkampf-Showdown im Advent.

leitartikel@swp.de

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Erstellt:
02.12.2020, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 17sec
zuletzt aktualisiert: 02.12.2020, 06:00 Uhr

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