Daimler

„Absolut beratungsresistent“

Arbeitnehmervertreter greifen die Geschäftsführung an. Die schlägt zurück.

26.11.2020

Von THOMAS VEITINGER (MIT DPA)

Blick auf das Werk Untertürkheim. Foto: Marijan Murat

Blick auf das Werk Untertürkheim. Foto: Marijan Murat

Stuttgart. Eigentlich können bei Daimler Arbeitnehmervertreter und Konzernführung ganz gut miteinander. Zumindest seit 2014 Betriebsratschef Michael Brecht den erfolgreichen aber manchmal recht sturen Verhandler Erich Klemm abgelöst hat. Brecht gilt als besonnen und kompromissfähig. Doch die Töne, die derzeit aus dem Unternehmen zu hören sind, klingen alles andere als harmonisch. Der oberste Interessenvertreter von mehr als 170?000 Mitarbeitern in Deutschland wirft dem Management vor, es agiere „absolut beratungsresistent“ und ruft zu einer bundesweiten Solidaritätsaktion mit Postkarten und Menschenketten auf. „In den Werken zittern die Beschäftigten und haben Angst um ihre Zukunft. Die Belegschaft in der Verwaltung fühlt sich verstoßen“, heißt es von IG Metall und Gesamtbetriebsrat.

Das Management droht in einem internen Schreiben mit dem Aus für das geplante Kompetenzzentrum Elektromobilität eCampus am Stammwerk Untertürkheim. Am Neckar fertigt Mercedes-Benz Motoren, Getriebe und Achsen. Damit ist das Werk deutlich stärker von der Transformation der Branche betroffen als etwa die Fahrzeugfertigung in Sindelfingen, 4000 der rund 19?000 Stellen sollen laut Arbeitnehmerseite bis 2025 wegfallen.

Benzin ins lodernde Feuer schüttete das Management mit der Ankündigung, Verbrennungsmotoren zusammen mit dem Großaktionär Geely in China zu bauen. Eine Verlagerung spart hunderte Millionen Euro. Der Betriebsrat kritisiert die Entscheidung und besteht darauf, für wegfallende Arbeit eine Kompensation in Form anderer Produktionsaufträge zu schaffen – so wie es einst mit dem Unternehmen vereinbart worden war.

Zwar seien diese aus damaliger Sicht sinnvoll und richtig gewesen, doch habe sich die Lage grundlegend verändert, heißt es dagegen aus dem Unternehmen. „Festhalten am Status quo ist daher keine Option“, schreiben die Vorstände Markus Schäfer und Jörg Burzer.

Streitpunkt ist etwa die Fertigung von Kurbelwellen. „Klar ist: Kommt die neue Kurbelwellenfertigung in vollem Umfang nach Untertürkheim, müssen wir für den Campus Mercedes-Benz Drive Systems alternative Szenarien prüfen. Denn eine Bündelung von Zukunftstechnologien ist dann aus Platzgründen in Untertürkheim nicht mehr möglich“, schreiben die Vorstände.

Eine Sprecherin bestätigte „spürbare Veränderungen“ in den Werken. Verhandlungen seien geplant. Für den Untertürkheimer Betriebsratschef Michael Häberle ist klar: „Die Kluft zwischen der Konzernführung und der Belegschaft wird immer größer.“ Thomas Veitinger (mit dpa)