Netflix

Abo-Zahlen zum Gruseln

Trotz Erfolgsserien wie „Stranger Things“ kann der US-Streaminganbieter seine Wachstumsrate nicht halten. Die Konkurrenz von Disney & Co. läutet die Aufholjagd ein.

19.07.2019

Von Hannes Breustedt

Die Netflix-Grusel-Serie „Stranger Things“  lockt Millionen vor die Bildschirme. Foto: Netflix

Die Netflix-Grusel-Serie „Stranger Things“ lockt Millionen vor die Bildschirme. Foto: Netflix

Für die Gruselserie „Stranger Things“ erhält Netflix derzeit viel Zuspruch, das kann vom jüngsten Quartalsbericht des Online-Videodienstes nicht behauptet werden. Zumindest aus Sicht der Anleger ist das Zahlenwerk auch zum Fürchten, aber in diesem Fall ist das alles andere als positiv.

Die Aktionären reagierten geschockt: In den drei Monaten bis Ende Juni gewann Netflix weltweit unterm Strich lediglich 2,7 Mio. neue Bezahlabos hinzu, wie der Online-Videodienst im kalifornischen Los Gatos mitteilte. In den USA büßte Netflix sogar 130?000 Kunden ein. Die erfolgsverwöhnten Anleger sind sowas nicht gewöhnt – einen ähnlichen Flop gab es zuletzt 2011, als das Unternehmen seinen DVD-Versand abgespalten hatte.

Mit den Nutzerzahlen blieb Netflix weit unter den Erwartungen der Wall-Street-Experten und auch unter seiner eigenen Prognose von 5 Mio. neuen Nutzern. Insgesamt schaffte der Streaming-Riese zum Quartalsende dank Zugewinnen außerhalb des US-Heimatmarkts immerhin noch einen Anstieg auf knapp 152 Mio. bezahlte Mitgliedschaften. Die Investoren reagierten jedoch nervös und ließen die Aktie im nachbörslichen US-Handel zeitweise um 13 Prozent fallen.

Härtetest steht noch bevor

Ganz überraschend kam das schwache Wachstum nicht: Netflix lieferte im jüngsten Quartal relativ wenige Film- und Serienhits und erhöhte zudem in etlichen Ländern – auch in Deutschland – die Preise. Die Erwartungen waren deshalb bereits gedämpft, mit einem so geringen Nutzerzuwachs hatte dennoch keiner gerechnet. Das Unternehmen räumte eine besonders schlechte Entwicklung in Regionen ein, in denen die Abogebühren im vergangenen Quartal angehoben worden waren.

Was die Finanzergebnisse angeht, liefen die Geschäfte zuletzt indes noch rund: Der Umsatz legte im Jahresvergleich um 26 Prozent auf 4,9 Mrd. Dollar zu; der Gewinn übertraf mit 270,7 Mio. Dollar (241 Mio. EUR) die Vorhersagen der Wall Street. Trösten konnte die Börsianer dies nicht. Allerdings stieg die Aktie im Jahresverlauf auch schon um 35 Prozent, so dass sich Gewinnmitnahmen anbieten.

Der Härtetest steht Netflix aber ohnehin erst noch bevor: Nachdem Entertainment-Giganten wie Walt Disney das rasante Wachstum des Senkrechtstarters jahrelang relativ passiv verfolgten und dabei immer mehr Kabelkunden ans Fernsehen im Internet verloren, beginnt jetzt der Gegenangriff. Nicht nur Disney, auch der zu AT&T gehörende Konkurrent Warner Media mit seinem Bezahlsender HBO („Game of Thrones“) und NBC Universal haben Konkurrenz-Services in der Pipeline. Der Angriff trifft Netflix gleich doppelt, denn die Schwergewichte der etablierten Unterhaltungsindustrie verfügen nicht nur über Finanzkraft, sondern auch über begehrte Inhalte. Viele davon liefen bislang gegen Lizenzgebühren bei Netflix.

Doch weil Disney und Co. nun eigene Online-Dienste starten, wandern Marvel-Produktionen und andere Hits zu ihnen. So verliert Netflix mit „Friends“ und „The Office“ seine beiden erfolgreichsten US-Shows an direkte Rivalen.

Schlecht aufgestellt ist das US-Unternehmen trotzdem nicht. Netflix hat ein enormes Produktionsbudget – alleine dieses Jahr dürfte rund 15 Mrd. Dollar in exklusive Inhalte fließen – und verfügt über großes Markenpotenzial, das längst nicht ausgeschöpft ist. Fanartikel hat Netflix für seine Erfolgsproduktionen bislang kaum am Start. An der Werbefreiheit hält Netflix fest. „Wir wollen voll und ganz um die Zufriedenheit der Zuschauer konkurrieren“, heißt es im Brief an die Aktionäre.