Instrumental-Album

Hommage an Gustav Mesmer: „Abheben passierte im Kopf“

Inspiriert von Gustav Mesmers Skizzen verschiedener Flugräder haben Maxi Pongratz und Micha Acher 13 ganz besondere Stücke eingespielt.

16.06.2021

Von UDO EBERL

Gustav Mesmer galt zu Lebzeiten als Sonderlling, der häufig mit seinem Flugrad durchs Dorf radelte. Foto: Gustav-Mesmer-Stiftung

Gustav Mesmer galt zu Lebzeiten als Sonderlling, der häufig mit seinem Flugrad durchs Dorf radelte. Foto: Gustav-Mesmer-Stiftung

Ulm. Als Maxi Pongratz in Oberammergau mit seiner alternativen Volksmusik-Gruppe Kofelgschroa die ersten Konzerte spielte und sich immer mehr Fans für diese Musik begeisterten, war an Tonaufnahmen nicht zu denken. Micha Acher, einer der Köpfe der global erfolgreichen Formation The Notwist, ließ sich von der Passion der musizierenden Freunde begeistern und wurde ihr Produzent. Vom Duo Pongratz und Acher gibt's nun mit „Musik für Flugräder“ einen ganz besonderen Soundtrack und zugleich eine höchst spannende Hommage an den schwäbischen Fluggeräte-Visionär Gustav Mesmer, den „Ikarus vom Lautertal“.

Sie arbeiten nun bereits fast zehn Jahre sehr intensiv mit Micha Acher zusammen. Wie kam es zu dieser fruchtbaren Kooperation?

Maxi Pongratz: Micha Acher hat uns 2012 mit Kofelgschroa erstmals ins Studio geholt. Davor hatten wir es nicht für möglich gehalten, überhaupt eine Platte in einer Laborsituation aufzunehmen. Wir waren als reine Liveband ja auch sehr glücklich. Bis jetzt sind es drei Tonträger, und Micha hat auch mein Soloalbum produziert, das vor zwei Jahren veröffentlicht worden ist.

Wie entstand die Idee, dem schwäbischen Flug-Visionär Gustav Mesmer Musik zu widmen und diese auf ein Album zu bannen?

Micha Acher besuchte eine Ausstellung mit Art Brut-Kunstwerken von gesellschaftlichen Außenseitern, und besonders die Zeichnungen der Flugräder von Gustav Mesmer ließen ihn nicht mehr los. Er kaufte sich Bücher über Mesmer, schaute sich Filme über seine Flugversuche an und war völlig fasziniert von diesen genialen, nicht funktionierenden Erfindungen. Micha wurde spontan auch an das Cover unseres zweiten Kofelgschroa-Albums „Zaun“ erinnert, das mich auf einem Rad fahrend zeigt und konnte sich wohl mich auf solch einem Flugrad sehr gut vorstellen. Vielleicht auch deshalb hat er mich recht bald auf diese musikalische Flugreise mitgenommen, und auch ich war sofort von Gustav Mesmer und seiner Welt fasziniert.

Was genau hat Sie an Mesmers Ideen und Lebensgeschichte so berührt, dass sich aus diesen Emotionen musikalische Bilder entwickeln konnten?

Bei Gustav Mesmer schien immer der Weg das Ziel zu sein, und er hat sich trotz all der vergeblichen Versuche, mit seinen Fluggeräten abheben zu können, nie davon abbringen lassen, diesen Traum weiterzuverfolgen. Die Zeit in der Psychiatrie, sein Leben als der ewig Andere in einer Dorfgesellschaft, die ihn über Jahrzehnte nicht verstanden hat, das am Boden strampeln statt sich aufzuschwingen, dabei immer positiv zu bleiben, das hat mich in seiner ganzen Melancholie sehr angerührt und nachdenklich gemacht. In den Filmen sieht man ihn im Sonntagsgewand auf seinen selbstgebauten Rädern, und da ist immer dieses freudige Blitzen in seinen Augen. Das Abheben passierte bei ihm immer im Kopf.

Kongeniales Duo: Micha Acher (links) und Maxi Pongratz. Foto: Abzocker-Verlag

Kongeniales Duo: Micha Acher (links) und Maxi Pongratz. Foto: Abzocker-Verlag

Haben Sie sich auch selbst ein wenig in Gustav Mesmer wiedergefunden?

Volle Kanne sogar. Wahrscheinlich hat mich die Geschichte des Ikarus vom Lautertal deshalb so besonders angefasst, weil ich mich darin ein wenig wiedererkennen kann. Ich weiß ja, wie es sich in einem Dorf lebt, wenn man ein Träumer ist, der seinen Weg gegen alle Widerstände immer weitergeht und seine Visionen wahrmachen will, die ihn antreiben. Bei uns war das mit der Volksmusik so, aus der wir herausgewachsen sind und die wir für uns ganz neu erobert haben.

Die besondere Musik der Mesmer-Hommage kommt von der akustischen Band „Verstärkung“.

Die Musikerschar der Verstärkung ist ansonsten in unterschiedlichsten Bands und Kapellen wie Aloa Input, Hochzeitskapelle, G.Rag & Die Landlergschwister, Zwirbeldirn oder The Notwist aktiv. Und Theresa Loibl, die ja in der bislang letzten Phase bei Kofelgschroa dabei war, ist an der Tuba dabei. Alles akustisch, ohne Effekte, kein Gesang. Und die Kompositionen stammen zur Hälfte von Micha Acher und mir.

Wie kann man sich Ihre gemeinsame Kompositionsarbeit mit Micha Acher vorstellen?

Ich bin nicht der große Notenschreiber. Ich habe meine Stücke aufgenommen und Micha Acher zugeschickt, der diese dann arrangiert hat. Er war dann auch dafür verantwortlich, dass alles wie aus einem Guss klingt. Ich kann mir ja nun bereits seit einigen Jahren sicher sein, dass ich mich voll und ganz darauf verlassen kann, dass er meinen Ton trifft und weiß, wie ich etwas im Studio zum Klingen bringen will.

Die „Musik für Flugräder“ ist so etwas wie eine volksmusikalische Kammermusik und trifft mitten ins Herz. Wie haben Sie die Flugreise im Studio gestaltet, um die kleinen Werke so festhalten zu können?

Wir haben die Stücke geprobt und dann live im Studio eingespielt. Am zweiten Aufnahmetag hat es dann so gepasst, dass es für uns authentisch klang. Kleine Misstöne haben wir deshalb gerne akzeptiert und auch nicht ausgebessert. Es ging nicht um Perfektion und Hochglanz, sondern den Zauber des Einfachen. Es zählte der Moment, und das passte auch gut zum Wirken und Streben von Gustav Mesmer.

Zum Artikel

Erstellt:
16.06.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 28sec
zuletzt aktualisiert: 16.06.2021, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Sie möchten diesen Inhalt nutzen? Bitte beachten Sie unsere Hinweise zur Lizenzierung.

Push aufs Handy

Die wichtigsten Nachrichten direkt aufs Smartphone: Installieren Sie die Tagblatt-App für iOS oder für Android und erhalten Sie Push-Meldungen über die wichtigsten Ereignisse und interessantesten Themen aus der Region Tübingen.

Newsletter


In Ihrem Benutzerprofil können Sie Ihre abonnierten Newsletter verwalten. Dazu müssen Sie jedoch registriert und angemeldet sein. Für alle Tagblatt-Newsletter können Sie sich aber bei tagblatt.de/newsletter auch ohne Registrierung anmelden.
Das Tagblatt in den Sozialen Netzen
    
Faceboook      Instagram      Twitter      Facebook Sport
Newsletter Prost Mahlzeit
Sie interessieren sich für gutes und gesundes Essen und Trinken in den Regionen Neckar-Alb und Nordschwarzwald? Sie wollen immer über regionale Gastronomie und lokale Produzenten informiert sein? Dann bestellen Sie unseren Newsletter Prost Mahlzeit!