Tübingen · Lebensmittelbericht

40 Prozent der kontrollierten Betriebe wiesen Mängel auf

Dreckige Geräte, Schimmel, Schädlinge: 3330 Kontrollen gab es im Jahr 2019 im Kreis Tübingen, bei 40 Prozent sind Mängel aufgetreten.

17.06.2020

Von ST

Salz? Nein, Schimmel! Nur eines von vielen Ekelbildern aus den Betrieben. Bild: Landratsamt Tübingen

Salz? Nein, Schimmel! Nur eines von vielen Ekelbildern aus den Betrieben. Bild: Landratsamt Tübingen

Der alljährliche Bericht der Kontrolleure des Landratsamtes sorgt immer wieder für Ekel und Verwunderung. Auch in diesem Jahr. Bilder von schimmelnden Lebensmitteln, von unsauberen Pfannen, von Tieren in Gaststätten oder Tiramisu, das einfach nur mit einem Gelben Sack abgedeckt wurde: 3300 amtliche Kontrollen sind im vergangenen Jahr durchgeführt worden, wodurch etwa 43 Prozent der Betriebe überwacht worden sind. Und zwar „auf allen Stufen der Erzeugung“, wie es im Bericht heißt. Also etwa im Einzelhandel und in der Gastronomie.

Etwa 60 Prozent der Kontrollen sind „auf Basis einer spezifischen Risikobewertung der einzelnen Betriebe“ vorgenommen worden. Dabei gilt: Wer einmal negativ aufgefallen ist, der bekommt mit höherer Wahrscheinlichkeit Besuch von den Kontrolleuren. Bei 40 Prozent der Kontrollen sind nun Verstöße gegen das Lebensmittelrecht festgestellt und bis zur Beseitigung überwacht worden. Lediglich bei 2 Prozent sind die Mängel so gravierend gewesen, dass sanktionsrechtliche Maßnahmen ergriffen werden mussten. Ein Verwarngeld, 66 Bußgeld- und 7 Strafverfahren waren die Folge. In 7 Fällen gab es zudem Verkaufs- oder Betriebsbeschränkungen.

Im Bericht nennt das Landratsamt mehrere Negativbeispiele:

Gaststätte 1: Hier wurden zwar keine verdorbenen Lebensmittel gefunden, jedoch „waren die Reinigungsmängel offensichtlich und zahlreich“ – das beweist etwa das Bild des fettverkrusteten Konvektomaten. Auch verdreckte Pfannen und andere Mängel tauchten auf. Nachdem diese zu Jahresbeginn entdeckt und dann beseitigt wurden, fiel die Gaststätte bei einer zweiten Kontrolle erneut negativ auf. Nach zwei Bußgeldzahlungen wurde der Betrieb Ende 2019 abgemeldet.

Gaststätte 2: „Zahlreiche und erhebliche Hygienemängel“ seien in diesem Betrieb aufgetreten, so wurden verdorbene Lebensmittel gefunden. Es wurde etwa bemängelt, dass Tiramisu unter einem Müllsack gelagert wurde, der „aufgrund seiner Kunststoffzusammensetzung ungeeignet für den Kontakt mit offenen, insbesondere fetthaltigen Lebensmitteln ist“. Nach einem Bußgeld und einer Grundreinigung durfte der Betrieb wieder öffnen.

Gaststätte 3: Dieser Betrieb war 2018 bereits negativ aufgefallen und wurde deshalb mehrfach kontrolliert. Weil die Mängel nicht beseitigt wurden, hat der Inhaber nun ein Strafverfahren am Hals. So konnte sich auf dem Rahmen der Spülmaschine etwa eine Schleimschicht aus Mikroorganismen ansiedeln. Auch wurden durch herumliegende Essensreste Schädlinge angelockt.

Zudem lieferte das Amt erschreckende Bilder aus weiteren Betrieben: Gouda, der mit Schimmel komplett überzogen war, oder Parmesan, der eher einem Blauschimmel-Käse glich. Oder eine Flasche Chili-Soße, die selbst an der Außenseite völlig schimmelte. Bei Würsten, die Schimmelspuren aufzeigen, hören die Kontrolleure indes oft die Ausrede, dass es sich um Salz handelt. Insgesamt wurden 858 Proben von Lebensmitteln, Tabakwaren oder Kosmetika entnommen. 203 Proben (mehr als 24 Prozent) wurden beanstandet.

Zudem erhielt das Landratsamt im Vorjahr 75 Beschwerden von Verbrauchern. So sah ein Kunde einer Imbissbude, dass Schaschliksoße aus einem angeschimmelten Behältnis auf die Wurst gegossen wurde. Der Betrieb wurde kontrolliert und der Schimmel war nur ein Problem von vielen. Doch auch Mäusekot auf Steckdosen oder Fransenflügler auf Mineralwasserflaschen waren Kunden in anderen Betrieben aufgefallen.

Aber: „Im Jahr 2019 kam es im Landkreis Tübingen zu keinen Erkrankungsausbrüchen, bei denen ein Zusammenhang mit dem Verzehr eines Lebensmittels ermittelt wurde“, heißt es im Bericht. Ein Ausbruch liegt dann vor, wenn zwei oder mehr Personen mit gleichartiger Erkrankung und gemeinsamer Ursache betroffen sind. Es gab einen Einzelfall, bei dem ein Patient eine Dose Leberwurst aus privater Herstellung ungekühlt lagerte und davon aß, obwohl sie ungewöhnlich schmeckte. Er landete in der Notaufnahme, erholte sich aber schnell.

Jedoch hebt der Bericht auch Positivbeispiele hervor, zum Beispiel einen Geflügel-Schlachtraum oder eine Wildkammer in perfektem Zustand. „Im Kontrollalltag trifft man auf viele sehr engagierte Lebensmittelunternehmer, die weit mehr als nur die hygienischen Mindestanforderungen erfüllen“, heißt es.

Wie die Öffentlichkeit informiert wird

Seit April 2019 werden Betriebe mit Verstößen landesweit namentlich unter www.verbraucherinfo-bw.de veröffentlicht. Nach einem halben Jahr werden die Einträge dann wieder gelöscht. Für die Veröffentlichung müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein: Es wird gegen Vorschriften verstoßen, die den Verbraucher vor Gesundheitsgefährdung oder Täuschung schützen sollen, oder es werden Vorschriften zu hygienischen Anforderungen nicht eingehalten. Diese Verstöße sind nicht unerheblich oder treten wiederholt auf und es ist eine Bußgeldhöhe von mindestens 350 Euro zu erwarten.

Besonderes im Jahr 2019

Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch startete zum Jahresbeginn 2019 gemeinsam mit der Plattform FragDenStaat das Projekt „Topf Secret“. Das Verbraucherinformationsgesetzes VIG erlaubt dem Einzelnen, Kontrollergebnisse von Lebensmittelbetrieben bei den Überwachungsbehörden nachzufragen. Im Landkreis Tübingen gingen im vergangenen Jahr 164 VIG-Anfragen ein. Damit wurden 72 Anfragen pro 100.000 Einwohner gestellt. Im Vergleich hierzu lag der baden-württembergische Durchschnitt bei 57,5 Anfragen pro 100.000 Einwohner.

Das Rapid Alert System for Food and Feed (RASFF) ist das Europäische Schnellwarnsystem für Lebensmittel und Futtermittel. Werden Produkte aufgrund einer Gefahr für die Gesundheit beanstandet, sorgt dieses Datenübermittlungssystem für eine lückenlose und schnelle Weitergabe von Informationen zwischen den Behörden der Mitgliedsstaaten und der Kommission. Im Jahr 2019 hat die Zahl an Produktrückrufen deutlich zugenommen. So musste die Lebensmittelüberwachung im Kreis Tübingen 159 Rückrufe von Lebensmitteln, Kosmetik und Bedarfsgegenständen überwachen. Vom Kreis Tübingen aus wurden vier eigene bundesweite Rückrufe eingeleitet und an die höheren Behörden weitergemeldet.