Auf Pikachu-Jagd in Tübingen

40 Pokémon-Go-Verrückte begaben sich am Montagabend gemeinsam auf Monsterjagd

Vor dem Bierkeller an der Mensa Wilhelmstraße stehen 40 Leute, die meisten sind Studierende. Alle starren gebannt auf ihr Smartphone und warten ungeduldig auf das Erscheinen eines Pokémons. Gemeinsam setzt sich der Trupp in Bewegung, um die kleinen Monster auf der ersten Pokémon-Go-Tour Tübingens zu jagen.

21.07.2016

Von Eileen Breuer

Mit Wlan und Akku half sich die Gruppe bei der Pokémon-Go-Tour gegenseitig aus. Die TAGBLATT-Reporterin ist die Zweite von rechts.Bild: Metz

Mit Wlan und Akku half sich die Gruppe bei der Pokémon-Go-Tour gegenseitig aus. Die TAGBLATT-Reporterin ist die Zweite von rechts.Bild: Metz

Tübingen. „O Mann, nicht schon wieder ein Taubsi“, stöhnt ein Spieler hinter mir, hält sein Handy hoch und lässt seinen Finger über das Display streichen. Das Handy brummt und summt, und schon ist die Zauberei des Monsterfangens vorbei. Ich finde sein Verhalten etwas skurril, drehe mich aber trotzdem zu ihm um und frage, wie das mit dem Pokémon-Einfangen eigentlich funktioniert. Der Monsterjäger schaut mich grinsend an: „Du hast echt noch nicht angefangen zu spielen?“

Nein, muss ich gestehen. Bis zur ersten Pokémon-Go-Tour Tübingens hatte ich das eigentlich auch nicht vor. Und dass ich an diesem lauen Sommerabend noch ganze vier Kilometer mit 39 anderen Pokémon-Verrückten zurücklege, hätte ich mir auch niemals zugetraut.

Obwohl ich noch ganz am Anfang des Spiels stehe, viele der anderen Teilnehmer jedoch schon bis Level 20 vorgedrungen sind, hatten wir alle erstmal die selben Schwierigkeiten: die Internetverbindung und den Server. Um diese Probleme zu beheben, half man sich gegenseitig. Ich zum Beispiel hing am Wlan eines anderen Teilnehmers, da die Datenverbindung meines Handys nicht leistungsstark genug war. Heute brauchen Jungs also nur einen starken Akku und einen Wlan-Hotspot, damit ihnen die Frauen hinterher laufen, dachte ich mir und tippelte hinter dem anderen Pokémonjäger her.

Der Organisator Luka Babic, 23, gibt gleich den ersten Tipp: „Wir gehen zuerst in den Bota, da ist ein Lock-Modul geschaltet.“ Mir ist das Wort fremd, also lasse ich es mir von meinen Mitspielern verständlich erklären: Es gibt viele kleine Monster im Botanischen Garten zu fangen. Langsam komme ich mit den Pokémon-Jägern ins Gespräch. Raffaela Faganello de Som, 20, spielt das Spiel vor allem, weil sie dabei unter Menschen komme, zudem könne sie Sport treiben und sei noch dazu an der frischen Luft. „Außerdem ist es endlich nicht mehr peinlich, meine Pikachu-Jacke zu tragen“, sagt die Tübingerin grinsend.

Plötzlich vibriert auch mein Handy. Direkt neben mir befindet sich ein Pikachu! Ganz vorsichtig schalte ich auf den Kameramodus um, sodass ich den Pikachu direkt neben dem Hölderlin-Denkmal auf meinem Handy sehe. Ich tippe den Pokéball an, der unten auf dem Display erscheint, und werfe ihn auf das virtuelle Monster. Eingefangen!

Trotz der gegenseitigen Hilfe stürzt die App oft ab. Um die Gemüter zu beruhigen, entscheiden ein paar Spieler, einen Zwischenstopp an der Eisdiele einzulegen. Mit einem Mango-Eis in der Hand läßt sich das Neuladen der App gleich viel besser ertragen.

So konnte es weiter zur Neckarinsel gehen. Geführt werden wir durch eine Karte auf unserem Handy, die ähnlich funktioniert wie Google Maps. Wir sehen die Karte auf dem Display, zur Orientierung muss man trotzdem aufblicken. Von den Passanten werden wir, die große Pokémon-Go-Gruppe, belustigt und vor allem von der älteren Generation entsetzt gemustert. Aber anders würde ich die Handyverrückten wahrscheinlich auch nicht anschauen.

Doch je geübter der Blick, desto besser erkennt man, dass nicht nur wir Pokémons jagen: In ganz Tübingen finden sich Grüppchen, die gemeinsam auf Monsterjagd sind. Immer wieder wird uns die Frage zugerufen, welchem Team wir angehören. Leider kann ich darauf keine Antwort geben, da man erst ab Level fünf eine Teamzugehörigkeit wählen und gegen Spieler anderer Teams in Arenen antreten kann. Am Ende des Tages habe ich zwanzig Monster gefangen und bin aufgestiegen zu Level vier. Außerdem habe ich mir unbekannte Ecken Tübingens entdeckt und als Neu-Tübingerin endlich den Fahrradtunnel ausfindig machen können.

„Pokémon ist das digitale Rauchen“, meint Luka Babic, der im Bierkeller arbeitet. Und irgendwie hat er Recht: Denn auch beim Rauchen vor dem Club lernt man Leute kennen, mit denen man sonst vielleicht nie ein Wort gewechselt hätte.

„Ich hätte nie gedacht, dass so viele Leute kommen, vor allem, weil derzeit ja Klausurenwoche ist“, sagt Babic. Für das nächste Mal rechnet er mit einem noch höheren Andrang.

Info Am Montag, 25. Juli, um 18.30 Uhr findet die nächste vom Bierkeller organisierte Pokémon-Go-Tour statt, an der jeder teilnehmen kann. Voraussetzung für die Teilnahme ist das Herunterladen der App.

Eine kleine Spielanleitung

Seit Mittwoch letzter Woche ist das von Niantic Labs und Nintendo entwickelte Handyspiel „Pokémon-Go“ in Deutschland verfügbar. Anhand von GPS-Daten machen sich die Spieler auf die Suche nach virtuellen Monstern, den Pokémons. Diese sind über die ganze Stadt verteilt. Um die Pokémons zu fangen, braucht man Pokéballs.

Die befinden sich an den sogenannten Pokéstops, welchen in der Realität Wahrzeichen und Denkmäler entsprechen. Hat man nun einen Pokemon gefunden, schaltet das Handy in den Kamera-Modus um. Auf dem Bildschirm ist dann der Pokemon eingebettet in die reale Umgebung zu sehen. Hat man genug Pokémons gefangen, steigt man Level für Level auf und kann schließlich ab Level fünf in Arenen gegen andere Spieler antreten.

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Erstellt:
21.07.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 28sec
zuletzt aktualisiert: 21.07.2016, 01:00 Uhr

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