Ein Hammer nach dem anderen

11. Rock of Ages-Festival in Seebronn glänzte mit berühmten (Alt-)Stars

Zwei Tage feinstes Festivalwetter lockte am Freitag und Samstag je rund 4500 Zuschauer zum Rock Of Ages nach Seebronn. Am Sonntag waren es etwas weniger. Zu aller Bedauern konnte Kim Wilde, der Hauptact am Sonntagabend, in Stuttgart nicht landen (siehe Bilderseite hinten im 3. Bündel ).

01.08.2016

Von Michael Sturm

Seebronn. Das gab es noch nie bei einem Rock Of Ages: In Extremo, die Headliner des Freitagabends, führen derzeit mit „Quid Pro Quo“ die deutschen Album-Charts an. In Seebronn war alles für die Band hergerichtet, die harten Metal mit Mittelalter-Musik und Instrumenten wie Dudelsack und Harfe verbindet. Zuvor hatte Axel Rudi Pell mit Star-Schlagzeuger Bobby Rondinelli das Publikum auf Temperatur gebracht.

Die Umbaupause dauerte auch nicht lange. Doch als In Extremo begannen, stand wohl jemand auf einem Kabel. Gleich drei Mal starben die Töne aus den großen, Richtung Publikum gerichteten Lautsprecherboxen abrupt. Allein die Bühnen-Monitore funktionierten noch. Doch dann spie eine Kanone lange Luftschlangen ins Publikum, und mit „Feuertaufe“ begann die bombastische Feuer-Show von In Extremo.

„Blinded by the Light“ könnte man sagen. Dieser Titel, größter Hit von Manfred Manns Earth Band, war am Samstagnachmittag zu hören – bei gleißendem Sonnenschein. Gesungen von Chris Thompson dem damaligen Sänger der Earth Band. Um halb zwölf war es bereits losgegangen. Vor Thompson waren bereits Cucumber, Blacklash, Lucifer‘s Friend und Treat auf der Bühne gewesen. Letztere fluchten backstage ordentlich: Immer wieder fiel die Drahtlos-Übertragung aus.

Nun wurde es auf dem Festgelände ganz schön warm. Axel Philippi, routinierter Festivalgänger aus Berlin, verteilte Sonnenmilch mit Schutzfaktor 30 auf der unbedeckten Haut. „2005, beim Bang Your Head, hab‘ ich mir einen fetten Sonnenbrand geholt. Das brauch‘ ich nicht mehr“, sagte er. Philippi hatte die optimale Kopfbedeckung dazu: Eine Schildkappe mit Nackenschutz, ähnlich denen, die man von der französischen Fremdenlegion kennt.

Ken Hensley, der ehemalige Song-Schmied von Uriah Heep, wurde von einer blutjungen englischen Band namens Our Propaganda begleitet. „Gypsy Queen“, „Easy Livin‘“, „Stealin‘“, ein Heep-Klassiker nach dem anderen – selbst das reichlich abgenudelte „Lady in Black“ strahlte durch die unbekümmerte Kompromisslosigkeit dieser Formation in neuem Glanz. Als Hensley hinter der Hammond-Orgel hervor trat und die Akkustikgitarre umschnallte, stellte man verblüfft fest, dass er sich äußerlich kaum von seinen Mitmusikern abhob: Genau so lange dunkle Haare, genau so schlank. Der Altersunterschied von beinahe 50 Jahren war nur aus unmittelbarer Nähe aus dem Gesicht des 70-jährigen abzulesen.

Auch Magnum riss das Publikum mit. Noch immer mit dabei: Der langjährige kreative Kopf der Band, Keyboarder Mark Stanway, früher auch mal in Diensten von Phil Lynott und Robert Plant. Als er 1980 zur Band stieß, wurde Magnum als Vorband für unter anderem Blue Öyster Cult bekannt. Diese Reihenfolge gab es nun wieder.

Als Neunjähriger vom

Blue Öyster Cult gepackt

Blue Öyster Cult waren viele Fans nach Seebronn gefolgt, so auch Cord Feldmann aus Ritterhude bei Bremen. Als Neunjähriger sei er 1977 gepackt worden, als „Don‘t Fear the Reaper“ im Radio kam. Dann fragte er seinen acht Jahre älteren Bruder: „Der hatte die Platte, wo das drauf war.“ Feldmann verfolgte den Weg der Band, selbst als diese im Niedergang begriffen war: „In den Neunzigern haben die auf irgendwelchen Parkplätzen in Amerika ihren Kram runtergespielt.“ Für die melodischen, mit starken Stimmen ausgestatteten, und rockig treibenden Songs von Blue Öyster Cult kam auch Musikjournalist Wolfram Küper privat nach Seebronn: „Es gibt keine bessere Gitarrenband!“ Danach fuhr Küper in Richtung Frankfurt heim, obwohl er sich auf dem Festival wohlfühlte. Ihn schreckten jedoch die Unwetterwarnungen für den kommenden Tag ab: „Alte Männer brauchen gutes Wetter!“

Andere nutzten den schönen Samstagabend. Les Holroyd, Bassist von Barclay James Harvest, und seine Musiker schauten backstage bereits einen Tag vor ihrem Auftritt am Sonntag vorbei. Ein Tag zu früh, Les! Holroyd antwortete britisch-trocken: „Ich hatte Hunger.“ Am Rand des Festivals gingen – während ihre Männer drinnen abrockten – Ulrike Lenzer aus Ergenzingen und eine Freundin samt Hund spazieren. Sie kamen gerade von der Rückseite des Areals. „Total nett“, sei die Atmosphäre auf den Feldern in Richtung Wendelsheim. Zum einen kam nun die Beleuchtung des kleinen Freizeitparks zum tragen. Zum anderen war auch die Lichtshow von Headliner Avantasia, die mit „Also sprach Zarathustra“ die Bühne enterten und melodischen Metal folgen ließen, ziemlich beachtlich. Heike und Michael Zug aus Göttelfingen hatten vorgesorgt – mit einem etwas limitierten Einrohr-Fernglas und einem Opernglas, mit dem tatsächlich etwas von dem zu erkennen war, was auf der Bühne passierte.

Unterdessen spuckte ein Shuttlebus eine acht Frauen starke Catering-Crew aus, die auf dem Campingplatz bewirtete – „Open End bis zum Frühstück“, so die Mötzingerin Svenja Reinhardt, seien sie im Einsatz. Auf dem Platz gehe es sehr ruhig zu: „Man merkt, dass das Publikum etwas älter ist.“ Musik, mit Live-Bands ab Mitternacht, danach aus der Konserve, laufe die ganze Nacht.

Kristinas Tanzschule mit einer Monstershow

Der Sonntag begann mit Regen. Zum Kinderprogramm kamen weniger Zuschauer als erwartet. Auf der Bühne führten Kinder von Kristinas kleiner Tanzschule aus Ergenzingen eine Monstershow auf. Später spielte der Kinderliedermacher Detlev Jöcker. Das Wetter wurde besser – doch dann kam eine schlechte Nachricht: Nach einem Unfall war der Betrieb auf dem Stuttgarter Flughafen komplett lahmgelegt – Kim Wilde konnte nicht eingeflogen werden (siehe Kasten).

Der zweite Ausfall dieses Festivals nach UFO am Freitagabend (wir berichteten). Mehr Zeit für alle anderen? Nicht für die Erste Allgemeine Verunsicherung. Die konnten aus Termingründen nur eine Stunde spielen. Das taten sie jedoch mit Verve. Sänger Klaus Eberhartinger warf sich in diverse Verkleidungen. Die Songs waren frisch und rockig arrangiert. Schon mit dem Opener „Willkommen im Neandertal“ wurde es politisch – ein Roter Faden, der sich durchzog. Am Ende wurde heftig nach Zugabe gerufen. Die konnte es wegen anderer Verpflichtungen der Musiker jedoch nicht geben.

So bekamen Slade („My oh my“) ebenso mehr Zeit wie Barclay James Harvest, die so unverhofft zum Headliner aufstiegen. Sie endeten passender Weise mit ihrem größten Hit „Hymn“. Auch wenn das Feuerwerk bereits um 10 Uhr abends gezündet wurde, war es ein gelungenes Festival.

Heiß war’s, laut war’s, helle Begeisterung beim elften Rock of Ages in Seebronn.Bild: Franke

Heiß war’s, laut war’s, helle Begeisterung beim elften Rock of Ages in Seebronn.Bild: Franke

Kim Wilde konnte in Stuttgart nicht landen: „Really sorry“

Kim Wilde twitterte an ihre enttäuschten Fans: „Really sorry, absolutely gutted, no way to get me and my team to Stuttgart tonight. First missed gig in 30 years“ (Es tut mirt wirklich leid, ich bin extrem enttäuscht, aber es gab keine Möglichkeit, mich und mein Team heute Abend nach Stuttgart zu bekommen. Mein erster verpasster Gig seit 30 Jahren!). Was war passiert: Am MOrgen war eine Boeing aus dem bulgarischen Varna nach der Landung vom Rollweg abgekommen und auf einer Grünfläche im Gras stecken geblieben. Zahlreiche Flüge wurden gestrichen, andere kamen verspätet an oder wurden auf andere Flughäfen umgeleitet. ele