Tübingen · Kino

100 Prozent Frauenquote am Pool

Männer haben keinen Zutritt im „Freibad“ von Doris Dörrie. Die Regisseurin spielt in ihrer Komödie mit kulturellen Vorurteilen und politischer Korrektheit.

03.09.2022

Von Dieter Oßwald

Julia Jendroßek (rechts) als Paula und Nilam Farooq als Yasemin in einer Szene des Films „Freibad“. Bild: Mathias Bothor Constantin Film Verleih

Julia Jendroßek (rechts) als Paula und Nilam Farooq als Yasemin in einer Szene des Films „Freibad“. Bild: Mathias Bothor Constantin Film Verleih

Polizeieinsatz im Freibad. Was in den Nachrichten längst traurige Sommer-Realität geworden ist, präsentiert sich als Auftakt zum neuen Doris-Dörrie-Vergnügen. Doch Fehlalarm, schließlich gibt es in diesem Freibad überhaupt keine Männer. Probleme und Problemchen gibt es gleichwohl auch hier, wo Besucherinnen aus unterschiedlichen Kulturkreisen und gesellschaftlichen Klassen aufeinander treffen.

Eva (Andrea Sawatzki) und Gabi (Maria Happel) gehören zu den Stammgästen. Die eine ein feministischer Freigeist, eine „Uschi Obermaier von Giesing“. Die andere eine vermögende Modeliebhaberin. Der Wellness-Faktor wird getrübt als eine türkischstämmige Großfamilie auftaucht. Nicht nur der Qualm von ihrem Grill sorgt für Ärger, die traditionsbewusste Tochter Yasemin (Nilam Farooq) zieht lieber vollbekleidet im Burkini ihre Bahnen. Als Protestaktion hüpft Eva spontan oben ohne ins Wasser, worauf sie die schwarze Bademeisterin mit schweizerischem Dialekt sofort zur Ordnung ruft.

Auffallend unangestrengt spielt die Handlung an ein paar heißen Sommertagen ausschließlich im Bad. Mit erfrischender Leichtigkeit werden die ausgetrampelten Pfade der gängigen Culture-Clash-Komödie verlassen. In diesem Freibad sonnen sich Slapstick und Klamauk gleichermaßen, wobei der nachdenkliche Witz, gleichsam als Sonnenöl, nie fehlt.

Burka-Verbot? Body-Bashing? Altersängste? Selbstbestimmtheit? Vorurteile? Rassismus? Toleranz? Politische Korrektheit? Woke-Gebaren? Dörries Themen könnten ganze Kirchentage füllen. Ihr gelingt es, die schwere Kost mit leichter Hand zu präsentieren. Serviert wird das Comedy-Menu von einem umwerfend ulkigen Ensemble, dem die Sache sichtlich Spaß macht und welches sich die Pointen-Bälle ganz uneigennützig zuspielt. Wenn des Nachts immer wieder die aufblasbaren Plastiktiere über das Wasser gleiten, werden daraus wunderbare Pausenbilder zum Nachdenken. Etwa über jenes bewegende „Du-Sein“-Plädoyer der Transfrau Kim, das fast schon Klassiker-Potenzial besitzt. Ein Glücksfall fürs Publikum. Und: Es gibt in Buchform eine superschöne Graphic Novel zum Film: Damit kann man „Freibad“ ins Freibad nehmen!