Pandemie

100.000 Tote und eine neue Mutante

Die Infektionszahlen sind hoch, was zu steigender Impfbereitschaft führt. Aber die Corona-Lage bleibt schwierig. Das?hat mehrere Gründe.

26.11.2021

Von Hajo Zenker

Der Weg zu 100.000 Toten

Der Weg zu 100.000 Toten

Seit Donnerstag gibt es mehr als 100.000 Corona-Tote in Deutschland. Die Impfkurve steigt wieder an. Und eine neue Mutante ist aufgetaucht. Die Lage.

Wie steht es um die Todesfälle? Mittlerweile sind seit Beginn der Pandemie in Deutschland amtlich mehr als 100?000 Menschen an oder mit dem Coronavirus gestorben. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) gab es zuletzt 351 Todesfälle binnen 24 Stunden, insgesamt sind es damit 100?119. Laut RKI war der überwiegende Teil der Gestorbenen, nämlich 86 Prozent, 70 Jahre und älter. Die Zahl der Menschen unter 20 Jahren ist dagegen mit 33 Fällen sehr niedrig.

Wie sich die Infektionszahlen auf die Todesfälle ausgewirkt haben, zeigen Daten des Statistischen Bundesamtes zur Übersterblichkeit. Dabei schaut man, wie viele Menschen normalerweise im jeweiligen Zeitraum sterben würden. Und wie viel mehr es dann bei einem besonderen Krankheitsgeschehen sind. Laut der Behörde lagen die Todesfälle von Januar bis Oktober um fünf Prozent über dem Schnitt der Jahre 2017 bis 2020. Im Januar, als die Intensivstationen voll wie nie waren, betrug das Plus 25 Prozent (teilweise gab es am Tag mehr als 1000 Corona-Tote), danach normalisierten sich die Werte, um dann im September (plus zehn Prozent) und Oktober (plus neun Prozent) wieder zu steigen. Angesichts der derzeitigen Infektionszahlen dürfte die Übersterblichkeit im Winter zunehmen. Der Virologe Christian Drosten hat „bis zu 100?000 weitere Todesfälle“ vorhergesagt. Allerdings steht Deutschland im Vergleich zu anderen Industrienationen noch relativ gut da, wie aus Daten der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore hervorgeht. Pro eine Million Einwohner gibt es in Schweden (1480), Frankreich (1809), Spanien (1877), Großbritannien (2105), Italien (2207), Belgien (2279) und den USA (2378) deutlich mehr Corona-Tote als in der Bundesrepublik (1184). Auf sogar 2997 kommt Tschechien.

Wie läuft das Boostern? Das nimmt an Fahrt auf. Am Mittwoch wurden laut RKI 627?000 Auffrischungen verimpft, einen Tag zuvor waren es 524?000 gewesen, eine Woche zuvor 409?000 und zwei Wochen zuvor erst 264?000. Damit haben 7,3 Millionen Menschen einen Booster bekommen. Auffällig auch: Die Zahl der Erstimpfungen ist auf 101?000 gestiegen – eine Woche zuvor waren es 68?000 gewesen. Insgesamt wurden am Mittwoch gut 795?000 Menschen geimpft. Das ist der höchste Tageswert seit dem 14. Juli. Aktuell sind 56,7 Millionen Menschen (68,2 Prozent der Bevölkerung) vollständig geimpft. Unterdessen hat am Donnerstag die EU- Arzneimittelbehörde EMA den Weg für Impfungen von Kindern im Alter von fünf bis elf Jahren mit Biontech (in geringerer Dosierung) freigemacht. Vom 20. Dezember an soll das Vakzin zur Verfügung stehen.

Wäre es nicht sinnvoll, zunächst einen Antikörpertest zu machen, bevor man gleich boostert? Das hat der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gefordert. Auch der Berufsverband Deutscher Laborärzte (BDL) hatte dies zuvor vorgeschlagen. Allerdings räumt BDL-Chef Andreas Bobrowski ein, dass man eigentlich nur weiß, bei welchem Wert man definitiv keinen Immunschutz hat und ab wann man definitiv keine Auffrischung braucht. Die Testwerte werden als BAU (Binding Antibody Units) pro Milliliter angegeben. Demnach sei man bei 21,8 BAU ungeschützt, bei über 1000 BAU sicher. Dazwischen aber „besteht ein Graubereich, der wissenschaftlich noch nicht genau ausgelotet ist“.

Auch der Immunologe Carsten Watzl meint, dass Werte über 1000 BAU „mit recht gutem Schutz vor symptomatischer Infektion“ in Zusammenhang zu stehen scheinen. Wo aber der genaue Grenzwert liege, „kann niemand seriös sagen“. Auch für das Robert-Koch-Institut lässt ein Antikörpertest „keine eindeutige Aussage zur Infektiosität oder zum Immunstatus zu“. Und der Verband der Akkreditierten Labore in der Medizin schreibt: „Ob viele Antikörper besonders gut schützen, ist noch nicht belegt.“ Zudem, so RKI-Chef Lothar Wieler, gebe es Menschen, „die haben Antikörper im Blut, aber diese Antikörper schützen gar nicht“. Andere hätten hingegen einen Schutz, obwohl gar keine Antikörper bei ihnen nachzuweisen seien. Das RKI rät daher auch Menschen mit hohem Antikörperspiegel zur Boosterung.

Müssen wir neue Mutanten fürchten? Nachdem schon lange die sehr ansteckende Delta-Variante dominiert, ist nun eine Mutante in Südafrika aufgetaucht, die nach Behördenangaben „eine große Bedrohung“ sei, weil sie eine „sehr hohe Anzahl von Mutationen“ aufweise. Laut Gesundheitsminister Joe Phaahla ist sie die Ursache für einen exponentiellen Anstieg der Fälle in Südafrika. Es gebe Anzeichen dafür, dass sich die diese vorläufig B.1.1.529 getaufte Variante, die wohl schon bald von der Weltgesundheitsorganisation einen griechischen Namen erhält, schneller verbreite als die Delta-Variante und vielleicht auch das Immunsystem noch stärker beanspruche. Die Wirksamkeit der aktuellen Impfstoffe gegen diese Variante sei noch unklar.

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Erstellt:
26.11.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 19sec
zuletzt aktualisiert: 26.11.2021, 06:00 Uhr

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