Geldanlage

Mehr junge Aktionäre

Die unter 30-Jährigen entdecken den Aktienmarkt für sich. Über Apps und soziale Medien finden sie einen Zugang und Entscheidungshilfe. Und wie bei so vielem im vergangenen Jahr hat auch Corona mit dem Boom zu tun.

08.04.2021

Von SAVANNAH BLANK

Im Jahr 2020 ist die Zahl der jungen Aktionäre gestiegen. Montage Reichelt, Foto: Christin Klose/dpa

Im Jahr 2020 ist die Zahl der jungen Aktionäre gestiegen. Montage Reichelt, Foto: Christin Klose/dpa

Berlin. Aktien, Fonds, Anlagen – damit beschäftigen sind längst nicht mehr nur Wohlhabende und Kenner. Es tut sich was am Markt: Unter den Wertpapierbesitzern gibt es immer mehr junge Aktionäre.

Für Gerrit Fey, Leiter des Fachbereichs Kapitalmärkte beim Deutschen Aktieninstitut, hat das mehrere Gründe. „Zum einen erkennen junge Menschen zunehmend, dass sie selbst fürs Alter vorsorgen müssen. Zum anderen werden die Alternativen, also Sparbuch oder Festgeld, immer unattraktiver.“ Und wie bei so vielem habe auch die Corona-Krise dazu beigetragen, dass sich die junge Generation – also die unter 30-Jährigen – mehr für Aktien begeistert. Im März 2020 stürzten kurzzeitig zahlreiche Aktienkurse kräftig ab. Für viele sei das die Chance gewesen, günstig einzusteigen. „Außerdem hatte man Zeit, sich endlich mit Anlagen zu beschäftigen.“ Zudem gibt es online viele Fondssparpläne mit 25 Euro im Monat. „Und so viel hat jeder übrig“, sagt Fey.

Außerdem hat sich der Zugang zum Aktienmarkt verändert. „Das Thema Geldanlage hat die sozialen Medien erreicht“, sieht Fey. Viele junge Menschen informierten sich etwa über Youtube. Alexandra Niessen-Ruenzi, Finanzprofessorin an der Universität Mannheim, fügt hinzu, dass die jungen Menschen einen Zugang über Blogs oder Influencer finden, die auf der Plattform Instagram über das Thema Anlagen und den Finanzmarkt sprechen. Youtube, Facebook und Co. seien mit ihrem Einfluss nicht zu unterschätzen: Die Entscheidung, wo sie ihr Geld anlegen, machten junge Menschen von Empfehlungen aus den sozialen Netzwerken abhängig, vermutet Niessen-Ruenzi.

Der Gamestop-Boom

Bestes Beispiel dafür ist die Aktie der Einzelhandelskette Gamestop, die Computerspiele verkauft. Die Gamestop-Aktie fiel in der Corona-Krise, aber auch schon davor, stark. An der Börse wetteten große Anleger Ende Januar darauf, dass der Kurs einbricht. Im Sozialen Netzwerk Reddit – einer Plattform, auf der Inhalte hochgeladen und diskutiert werden – beschlossen Nutzer, viele Gamestop-Aktien zu kaufen, und trieben den Kurs damit zeitweise massiv in die Höhe: Von knapp 20 Dollar pro Aktie kurzzeitig auf 480 Dollar.

Abgesehen von den sozialen Medien erleichtern diverse Trading- und Broker-Apps den Zugang zum Aktienmarkt. „Solche Apps machen den Einstieg sehr einfach. Und das Handy hat ja jeder immer dabei“, sagt Niessen-Ruenzi. Die Apps seien sehr übersichtlich, böten oft eine reduzierte Anzahl an Aktien. „Die Menschen sind sonst überfordert, wenn es zu viel Auswahl gibt.“ Die kleinen digitalen Helferlein hätten aber auch Nachteile: „Sie motivieren zum Spekulieren und nicht zum Investieren“, sagt die Expertin. So werde kein langfristiger Vermögensaufbau erreicht. Niessen-Ruenzi befürchtet, dass junge Menschen die Apps aus der falschen Motivation nutzen, nämlich schnell Geld zu machen. Wenn sie sich dabei dann einmal die Finger verbrannt haben, kehrten sie dem Aktienmarkt den Rücken.

Inflation durchhalten

Für viele vor allem ältere Menschen hat das Investieren in Aktien dagegen einen schlechten Ruf. „Bei der Aktienanlage herrschen viele Missverständnisse, sodass Menschen die Chancen und Risiken falsch einschätzen“, sagt Gerrit Fey. Aber gefährlich seien nur kurzfristige Investitionen. „Wer langfristig und breit gestreut investierte, erhielt bisher immer eine gute Rendite.“

Ganz allgemein gelten die Deutschen als Aktien-scheu. Alexandra Niessen-Ruenzi nennt als Grund, dass die Deutschen generell risikoscheu seien. Doch eine Studie des Deutschen Aktieninstituts kommt zum Schluss: 2020 investierten 2,7 Millionen mehr Menschen als im Jahr zuvor in Aktien, Aktienfonds oder aktienbasierte ETF. Feys Analyse: „17,5 Prozent der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren sind am Aktienmarkt engagiert.“ Die stärkste Gruppe seien die 40- bis 60-Jährigen. „Die Jungen haben aber aufgeholt. Letztendlich hat das auch was mit dem Einkommen zu tun“, so die Analyse des Experten. Allerdings verzeichnet das Institut auch ein spürbares Plus an Aktionären aus der unteren Einkommensschicht.

Dass die ganz alte Generation Angst vor dem Aktienmarkt hat, könnte laut Fey damit zusammenhängen, dass diese Menschen schon mehrere Inflationen erlebt haben. Er beruhigt: „Krisen am Aktienmarkt gehen vorbei. Wer langfristig denkt, kann gelassen bleiben und die Krise sogar als Chance betrachten.“

Wer mit der Investition in Aktien beginnen möchte, dem rät der Experte zu drei Dingen: „Breit gestreut anlegen“, sagt Fey. Am besten in Fonds, um das Risiko zu vermeiden, auf das falsche Pferd zu setzen. Zudem langfristig und kontinuierlich – am besten monatlich einen kleinen Betrag. Ersteres, um Schwankungen auszugleichen. Und Letzteres, „um nicht den falschen Zeitpunkt für den Einstieg zu erwischen“.

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Erstellt:
08.04.2021, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 13sec
zuletzt aktualisiert: 08.04.2021, 06:00 Uhr

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