Whitney - Can I Be Me?

Whitney - Can I Be Me?

Doku-Porträt des Soul-Superstars Whitney Houston mit dem Schwerpunkt auf ihrem frühen, tragischen Tod.

01.06.2017

Von Klaus-Peter Eichele

Noch vor Madonna war Whitney Houston der weibliche Pop-Superstar der 1980-er Jahre. Zwischen 1985 und 1992 erreichten zehn ihrer Songs („How Will I Know“, „I Will Always Love You“) die Spitze der amerikanischen Charts. Das Guinness-Buch der Rekorde verzeichnet sie als die am häufigsten ausgezeichnete Künstlerin aller Zeiten. Glücklich haben Houston diese Erfolge nicht gemacht. Nach Jahren exzessiven Drogenkonsums wurde die 48-Jährige im Februar 2012 tot in einer Hotelbadewanne gefunden.

In Wahrheit sei die Sängerin aber gar nicht an den Drogen, sondern an gebrochenem Herzen gestorben, heißt es mehrmals im Doku-Porträt von Nick Broomfield („Kurt & Courtney“). Eine solch eindimensionale Begründung wird dem Film freilich nicht gerecht, der vielmehr aufzeigt, dass es ein ganzes Bündel an Problemen gab, unter dessen Last Houston schließlich zusammengebrochen ist.

So war ihre Karriere von massiver Fremdbestimmung geprägt. Ihre ehrgeizige Mutter drängte sie schon im Teenageralter ins Showbiz, wo Produzenten ihre Gospel-geprägte Stimme mit Weichspül-Arrangements für den weißen Massengeschmack polierten. Zum schwarzen Publikum fand die Afroamerikanerin dagegen nur selten einen Draht, zuweilen wurde sie ausgebuht – was sie laut Zeitzeugen nie verwunden hat.

Auch privat lief im Leben der Diva wenig rund. Ihre für den Regisseur auf der Hand liegende Bisexualität durfte oder wollte sie nicht offen ausleben. Zudem waren sich ihre beiden großen Lieben, die Roadmanagerin Robyn Crawford und ihr Ehemann Bobby Brown, spinnefeind. Als Crawford schließlich zermürbt die Flucht ergriff, sei dies für Houston ein weiterer Nackenschlag gewesen.

Zur Untermauerung seiner Thesen hat Broomfield eine beeindruckende Fülle an Material zusammengetragen – darunter bisher unveröffentlichte Backstage-Aufnahmen des Österreichers Rudi Dolezal, der deswegen einen Credit als Ko-Regisseur bekommen hat. In einigen der Archivaufnahmen kann man Houstons Verzweiflung und Verwundbarkeit förmlich spüren. Dass die interviewten Gewährsleute überwiegend aus der zweiten Reihe stammen, ist nicht unbedingt ein Nachteil, äußern sie sie doch unverblümter, als es die engen Weggefährten (die sich einer Zusammenarbeit offenbar verweigert haben) vermutlich getan hätten.

Nebenbei machen die Konzertausschnitte, vorwiegend von ihrer letzten erfolgreichen Tournee im Jahr 1999, deutlich, dass es ein Fehler wäre, Houston auf ihre meist seichten Hits zu reduzieren. Auf der Bühne konnte sie durchaus sie selbst sein: eine begnadete Soul- und Gospelsängerin nämlich.

In der prägnanten Doku verschränkt sich eine märchenhafte Karriere mit einem an die Wand gefahrenen Leben.

Größter Arsenal-Start dieses Jahrhunderts

Musikfilme sind ein Kerngeschäft des Tübinger Arsenal Filmverleihs. Seit seiner Gründung im Jahr 1974 hat das Medienunternehmen mehrere Dutzend davon in die deutschen Kinos gebracht. Am erfolgreichsten war der Talking-Heads-Konzertfilm „Stop Making Sense“, den Anfang der 1980-er Jahre rund eine Million Zuschauer sahen.

So viele wird „Whitney – Can I Be Me?“ sicher nicht in die Kinos locken, aber zumindest die Resonanz der Medien – von der „Gala“ bis zum „Heute-journal“ – war im Vorfeld gewaltig. Ähnlich stark ist laut Arsenal-Chef Stefan Paul auch die Nachfrage der Kinobetreiber nach der Doku über die Popdiva, selbst etliche Multiplexe, bisher ein Tabu-Terrain für den Tübinger Verleih, zeigten Interesse.

Entsprechend bringt Arsenal den Film diese Woche mit sagenhaften 154 Kopien auf die Leinwände der Republik. Selbst die Psychokomödie „Elling“, mit 500000 Zuschauern der kassenstärkste Arsenal-Film der letzten 20 Jahre, kam nicht annähernd auf diese Zahl.