Weißer weißer Tag

Weißer weißer Tag

Ein isländischer Polizeikommissar steigert sich immer mehr in die Vorstellung hinein, dass ihn seine Frau kurz vor ihrem Tod betrogen hat.

18.02.2020

Von Madeleine Wegner

Weißer weißer Tag

Dichte Nebelschwaden, dunstig und seltsam weiß, ziehen durch die karge Landschaft der isländischen Provinz. Jeder Moment wirkt wie in Watte gepackt, gedämpft und still. Sie trüben den Blick. Lenken ihn auf den Augenblick und verbieten zugleich jeden weitschweifigen Blick in die Ferne – egal, ob an das Ende der Straße, in die Zukunft gerichtet oder in die Vergangenheit. Die weißen Nebelschawaden wirken wie das Spiegelbild von Ingimundurs Innenleben.

Der Mann mit den eisblauen Augen und einem oft regungslosen Ausdruck hat seine Frau bei einem Autounfall verloren. Er ist Polizist, vom Alter her vermutlich kurz vor dem Ruhestand, doch zurzeit ohnehin beurlaubt.

Ingimundur hat sich eine Aufgabe gesucht. Für seine Tochter und deren Familie renoviert er ein einsam gelegenes Haus. Einer seiner seltenen Besucher schwärmt von dem tollen Ausblick – er scheint die Welt durch andere Augen zu sehen. Mit dem Mammut-Projekt irgendwann fertig zu sein, davor habe er Angst, wird Ingimundur seinem Psychotherapeuten irgendwann sagen.

Ein inniges Verhältnis hat der Eigenbrötler nur noch zu seiner Enkelin Salka. Er liebt die Achtjährige innig. So lange sie bei ihm ist, sei alles in Ordnung, erzählt er widerwillig seinem Psychotherapeuten. Salka liebt ihren Großvater nicht weniger. Die beiden verbringen viel Zeit miteinander. Ingimundur lenkt sich ab, so gut es geht. Doch die Trauer sucht sich ihr Ventil.

Es ist eine Frage der Zeit. Manchmal ziehen die Tage wie im Zeitraffer vorbei. Kein Tag ist wie der andere, dennoch wirken sie trostlos und beliebig. Sie ziehen einfach vorüber. Dem gegenüber stehen Momentaufnahmen, in denen die Zeit für einen Augenblick stillzustehen scheint: Langsam läuft Milch über den Fußboden. Ein Tropfen fällt durch die zersplitterte Frontscheibe.

Oder all die anderen: Der Kollege, die Tochter, die Enkelin, der Schwiegersohn – sie alle blicken für einen Moment ausdruckslos direkt in die Kamera und scheinen damit die Zeit anzuhalten. Sie sind einfach nur da. Diese Sqequenzen wirken manchmal allzu bemüht.

„Weißer, weißer Tag“ ist der zweite Langfilm des 35-jährigen Regisseurs und Drehbuchautors Hlynur Pálmason. An weißen Tagen, so heißt es in einem dem Film vorangestellten Zitat, verschwimme die Grenze zwischen Himmel und Erde ebenso wie jene zwischen den Lebenden und den Toten. Doch ist Ingimundur bereit dafür?

Zeigt, wie stark sich unterdrückter Schmerz seinen Weg bahnt, und eine weitere Katastrophe heraufbeschwört.

Weißer weißer Tag

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Erstellt:
18.02.2020, 15:20 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 13sec
zuletzt aktualisiert: 18.02.2020, 15:20 Uhr

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