Undine

Undine

Christian Petzold interpretiert den Mythos der geheimnisvollen Wasserfrau Undine neu als modernes Großstadt- und Liebesmärchen in einer entzauberten Welt.

30.06.2020

Von Madeleine Wegner

Überflutet und wie von den Wellen angepült an die Küste des pulsierenden Hauptstadtlebens: So liegt sie da, die Nixe Undine, als sie ihrem Liebsten Christoph zum ersten Mal begegnet. Viele Künstler haben sich schon dem Mythos der Nymphe angenommen, mit Gemälden, Opern, Büchern und Filmen. Eine neue Interpretation fügt Christian Petzold mit dem Kinofilm „Undine“ hinzu, in dem Paula Beer als Wasserfrau und Franz Rogowski als Industrietaucher ihre Liebesgeschichte bekommen, die ihnen in Petzolds „Transit“ noch verwehrt blieb.

Der Film erzählt ein Märchen, das in der Berliner Gegenwart spielt, zugleich aber viele Bezüge in unterschiedliche Vergangenheiten hat. Dort kennt sich Undine als promovierte Historikerin bestens aus. Sie bringt Berlin-Touristen im Auftrag des Senats die Hauptstadtgeschichte nahe. Auf Christoph, der ihre klugen Vorträge bewundert, trifft sie just in dem Moment, als ihr bisheriger Freund die Beziehung beendet – was er, wie sie ihm lakonisch ankündigt, mit dem Leben bezahlen werde.

Ein zerberstendes Aquarium steht am Beginn ihrer Liebe, die sie immer wieder ins Wasser zieht. Ein riesiger vorüberziehender Wels, geflutete Industriebauten, schwerelos aufsteigende Blasen und schwebende, tranceartige Bilder, in denen die Liebenden zueinander finden oder einander entrissen werden, sorgen für einen bisweilen unwirklichen Zauber, der im merkwürdigen Kontrast zum nüchternen Berliner Großstadtalltag steht.

Unbeschwert kann ihre Liebe nicht sein, schwebt doch der Fluch des alten Mythos von Bestimmung, Leidenschaft und Tod über ihnen. Traum und Albtraum liegen stets dicht beieinander. Manchmal wirkt das etwas konstruiert oder benötigt einen Schuss Mystery, um die Handlung am Laufen zu halten. Dennoch ist Christian Petzold, von dem auch das Drehbuch stammt, eine fesselnde, zwischen Leichtigkeit und Tragik changierende Erzählung gelungen. Paula Beer erhielt für ihre Darstellung zurecht den Silbernen Bären. Der Regisseur hat angekündigt, dass dies der erste Teil einer Trilogie sein soll, was durchaus als Hoffnungsschimmer für das deutsche Kino gelten darf.

Lässt ein paar Chancen ungenutzt,

erzählt jedoch eine im wahrsten Sinne wundervolle Liebesgeschichte.

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