Tolkien

Tolkien

Die Geschichte einer Freundschaft von fünf Elite-College-Studenten, darunter der spätere Schriftsteller John Ronald Reuel Tolkien.

18.06.2019

Von Dorothee Hermann

Es könnten die apokalyptischen Reiter sein (oder wenigstens zwei von ihnen), die schier überlebensgroß über die Kinoleinwand ziehen, während hinter ihnen die Welt in Flammen aufgeht. Der finnische Regisseur Dome Karukoski („Tom of Finland“) zeigt Kindheit und Jugend des weltberühmten Fantasy-Autors John Ronald Reuel Tolkien in Rückblenden zwischen Szenen aus dem Ersten Weltkrieg, als Tolkien (Nicholas Hoult) im Fiebertaumel das Schlachtfeld nach einem vermissten Freund absucht.

Das reale Gemetzel mit zahllosen Leichen, Dreck und einem Krater voll Blut kippt immer wieder in surreale Horrorbilder. Dabei bleibt offen, ob der geschwächte Tolkien nun halluziniert oder ob seine Phantasie ihm inmitten des Entsetzlichen zu Hilfe kommt und ihm bereits Schauplätze und Schlachtenanordnungen seiner späteren Romane vorspiegelt – nur vorerst ganz ohne fiktionale Distanz.

Ausweglosigkeit, Ohnmacht, Trauer sind Erfahrungen, die der 24-Jährige schon vor dem Krieg viel zu oft machen musste, aber wie durch ein Wunder (und durch seine starke Persönlichkeit) immer wieder überstand. Nach dem frühen Tod des Vaters verlor der Junge auch noch die Mutter, eine mitreißende Erzählerin, die vor allem ihren älteren Sohn gerne in geheimnisvolle Welten entführte. Als sie überraschend stirbt, sind Tolkien und sein jüngerer Brüder als Waisen auf sich gestellt. Vor kurzem aus einem idyllischen ländlichen Vorort ins düster vor sich hin kokelnde Birmingham gezogen, müssen sie nun mit einer aufgeblasenen Zimmervermieterin klarkommen.

Deren spätviktorianische Villa mit den William-Morris-Tapeten und den düsteren Möbeln ist ein prächtiges, aber doch fürchterlich einengendes Gehäuse für Tolkien, seinen Bruder und die junge Edith Bratt, ebenfalls Waise. Ebenfalls ein grandioses Bild für das alte England (vor den sozialen Umwälzungen, die der Erste Weltkrieg auslöste) ist der grandiose altmodische Tearoom, in dem Tolkien sich mit drei Schulfreunden trifft. Ihr Weg scheint vorgezeichnet – bis der Krieg beginnt.

Nach dem Film liest man die kleine Anmerkung auf den ersten Seiten von „Der kleine Hobbit“ ganz anders, wo vom unerwarteten Glück die Rede ist, das den „Söhnen von Witwen“ zuteil wird.

Schildert sehr einfühlsam, warum es einen gesetzten Oxford-Professor so stark in fantastische Welten zog.

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