The Favourite - Intrigen und Irrsinn

The Favourite - Intrigen und Irrsinn

Im 18. Jahrhundert spielendes Historiendrama von Yórgos Lánthimos: Zwei Frauen buhlen um die Gunst der launischen, kranken Queen.

22.01.2019

Von Dorothee Hermann

Nicht einmal der Prunk der Schauplätze kann dieses opulente Intrigenspiel in der Zeit verankern und den Figuren etwas wie Dauer verleihen. Sie befinden sich permanent im Schleudersitz.

Während in Peter Greenaways „Der Kontrakt des Zeichners“ ein einzelner zum Außenseiter gemacht wird, ist bei dem griechischen Regisseur Yorgos Lanthimos („The Lobster“, „The Killing of a Sacred Deer“) keiner seines Status sicher.

So unzeremoniell wie diese Königin (grandios: Oscarfavoritin Olivia Colman) hat man noch selten eine Monarchin gesehen: im Bett ausgestreckt oder im nachlässigen Hausdress, depressiv, auch mal leicht infantil, und so lethargisch, als wäre sie bereits zu ihrer eigenen Wachsfigur erstarrt.

In einer Gesellschaft, die sich überlebt hat, ist es ihr nicht möglich, die eigene Macht zu genießen. Emotional und sexuell ist Anne vollkommen abhängig von ihrer einflussreichen Hofdame, Sarah Churchill, Herzogin von Marlborough (Rachel Weisz).

Deren Wünschen ordnet sich im Film sogar die britische Politik unter. Jedenfalls solange die Königin nach außen hin den Daumen drauf hat, und das (Männer-)Parlament unter seinen altmodischen Perücken nicht zu sehr aufbegehrt. Das profitable Arrangement beginnt zu knirschen, als Sarahs verarmte junge Verwandte Abigail Hill („La La Land“-Star Emma Stone) auf der Bildfläche erscheint.

Auf den ersten Blick ist Abigail eine Art feudale Kostümversion des Hire-and-Fire-Personals des Turbokapitalismus. Doch das Aschenputtel erweist sich als geschickte Intrigantin und versucht, sich an Sarahs Stelle ins Herz der Königin zu charmieren. Wie Abigail sexuelle Abhängigkeitsverhältnisse (ob zu Männern oder Frauen) durchschaut, weist ebenfalls weit in die Zukunft.

Auch wenn der Film die imaginierte Grandeur der imperialen Vergangenheit und ihrer Gewohnheiten (wie die Jagd) stets satirisch überzeichnet, werden Bewunderer englischer Herrenhäuser voll auf ihre Kosten kommen. Gedreht wurde vor allem in Hatfield House nördlich von London. Das Licht scheint dem auf Gemälden nachempfunden.

Vielleicht ist das raffiniert ins Surreale spielende Ausstattungswunder auch deshalb für zehn Oscars nominiert, weil es seine prächtigen Kulissen stets dem getriebenen Zeitgefühl des 21. Jahrhunderts aussetzt.

Den Feudalismus ins Surreale treiben – dieser Oscarfavorit zielt auch auf die neuen Superreichen.


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