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Ein junger Israeli will in Paris ein neues Leben anfangen und Franzose werden. Doch er hat einige Hindernisse zu überwinden.

03.09.2019

Von Madeleine Wegner

„Böse, obszön, ignorant, idiotisch, schmutzig, widerlich, derb, abscheulich, niederträchtig, jämmerlich, abstoßend, verwerflich, engstirnig, engherzig.“ Yoav kennt bereits viele Wörter auf Französisch, die seiner Meinung nach sein Heimatland am besten charakterisieren. „Ich kam hierher, um Israel zu entkommen“, sagt er.

Yoav steigt die Treppen eines noblen Pariser Wohnhauses hinauf. Er betritt ein leerstehendes, großes und kaltes Appartement. Sein Atem kondensiert, es ist Herbst in Paris, vielleicht sogar schon Winter. Während er unter der Dusche steht, um sich aufzuwärmen, klaut jemand alle seine Sachen. Erst am nächsten Morgen finden ihn die Nachbarn splitternackt und halb erfroren in der Badewanne. Das junge Paar, eine Musikerin und ein Möchtegernschriftsteller mit unerhört reichen Eltern, versorgen ihn mit dem Nötigsten.

Diese unheilvolle erste Nacht am Sehnsuchtsort erscheint wie eine unvermeidliche Katharsis. Yoav hat alles abgestreift, was ihn an seine Vergangenheit erinnert. Schließlich will er Franzose werden von Kopf bis Fuß. Nie wieder will er hebräisch sprechen. Stattdessen murmelt er Französisch-Vokabeln, während er mit gesenktem Kopf durch die Straßen von Paris eilt. Tom Mercier entwickelt als Yoav eine enorme Präsenz. Auch seine beiden Mitspieler Quentin Dolmaire und Louise Chevillotte machen ihre Sache nicht schlecht.

Die beiden scheinen bald stärker von dem mittellosen Einwanderer abhängig zu sein als umgekehrt. Yoav ist eine ebenso willkommene wie skurrile Ablenkung für das gelangweilte Paar. Ihnen dient Yoav als Kuriosität, an der sie sich satt sehen, bis sie eben genug haben. Insbesondere der Möchtegernschriftsteller ist fasziniert von Yoavs Geschichten und von einem Leben, in dem so viel mehr passiert als in seinem wohlbehüteten eigenen.

„Synonymes“ überzeugte die Jury auf der diesjährigen Berlinale und erhielt den „Goldenen Bären“.

Das Drama des israelischen Regisseurs Nadav Lapid ist episodenhaft angelegt, mit eingeflochtenen Rückblicken. Manches wirkt konfus, oft aber wirkt die Langeweile des verwöhnten Künstler-Pärchens ansteckend. Wie sie mag man sich so manches Mal fragen: Spielt der störrische Israeli nur verrückt oder ist er durchgedreht?

Zwar lässt sich jede Szene symbolisch lesen und einem aktuellen gesellschaftspolitischen Thema zuordnen. Vielleicht aber bleibt der Film gerade deshalb unnahbar und unterkühlt. Es geht um Identität, doch dies bleibt ein seltsam abstrakter Begriff – geradezu losgelöst vom Menschen. Wie sollte es denn auch einfach so gelingen, das bisherige Leben ab- und ein neues Leben überzustreifen – gerade so, als wäre Identität ein leuchtend gelber Designer-Mantel?

Ansteckende Langeweile, bedeutungsträchtige Symbolik und ein Protagonist, der verrückt spielt oder durchdreht.

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