Roads

Roads

Ein junger Brite und ein junger Kongolese sind in einem geklauten Wohnmobil auf der Suche nach ihren Familien. Roadtrip und Geschichte einer Freundschaft.

27.05.2019

Von Madeleine Wegner

Gyllen sitzt auf dem Dach eines Campers und schaut in die marokkanische Nacht. Er könnte damit ein verdammt cooles Bild abgeben – verträumt, die Atmosphäre irgendwie exotisch, aufregend und die noch unentdeckte Welt zu Füßen. Doch Gyllen steckt fest: Das Wohnmobil, das er gerade seinem Stiefvater geklaut hat, springt nicht mehr an. Dabei wollte der 18-Jährige einfach nur noch weg, abhauen aus dem ätzenden Urlaub mit seiner Mutter. Nach Frankreich zu seinem leiblichen Vater.

Aus dem Dunkel heraus beobachtet William den Briten, der fluchend telefoniert und verzweifelt irgendwen erreichen will, der ihm mit dem Wagen helfen könnte. In William sieht Gyllen weniger eine Lösung seines Problems, als vielmehr einen interessanten Gefährten für den Moment. Vor allem Gyllen begegnet dem Fremden vorbehaltlos, ungetrübt und geradezu naiv. William – der sich aus dem Kongo bis nach Marokko durchgeschlagen hat, weil er in Europa seinen Bruder suchen will – wirkt zunächst skeptisch. Es braucht noch einen Schubser des Schicksals, damit die beiden ein Stück ihres Weges gemeinsam gehen.

Sebastian Schipper, der vor vier Jahren mit seinem in einer einzigen Plansequenz gedrehten Berlin-Film „Victoria“ Furore machte, traut auch in „Roads“ seinen jungen Darstellern viel zu – zu Recht. Die beiden tragen den Film, in dem die eigentliche Handlung eher an zweiter Stelle steht: Stéphane Bak als der besonnene, souveräne William sowie Fionn Whitehead („Dunkirk“) als impulsiver Gyllen. (In einer durchgeknallten Nebenrolle kommt Moritz Bleibtreu als zwielichtiger, abgewrackter Althippie hinzu.)

Seit Jahren habe er einen Film über den ersten Urlaub ohne Eltern, über eine Freundschaft zwischen zwei jungen Männern, im Kopf gehabt, so Schipper in einem Interview. Die politische und soziale Dimension durch die „Flüchtlingskrise“ sei erst später hinzugekommen. Das merkt man dem Film an. Im Kern geht es um das Zuhausesein, um die Erfahrung aller jungen Menschen, dass dieses Gefühl nicht (nur) die eigene Familie liefern kann, sondern weitgehend von Menschen abhängt, die wir im Laufe unseres Lebens kennenlernen. Schipper wurde vorgeworfen, „Roads“ sei zu konfliktlos, zu statisch. Man kann ihn jedoch genauso gut als gelungenes lakonisches Roadmovie lesen: die Zuversicht und ein Vertrauen in Menschen aufsaugen, die diesen Film zu einem beglückenden machen.

Einem anderen Menschen unvoreingenommen begegnen – von diesem Wunder erzählt diese Reise.

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