Niemals selten manchmal immer

Niemals selten manchmal immer

Gemeinsam mit ihrer Cousine fährt die 17-jährige Autumn nach New York, wo Abtreibungen ohne Erlaubnis der Eltern möglich sind.

06.10.2020

Von Dorothee Hermann

Autumn (Sidney Flanigan) steht auf der Bühne ihrer Schule und singt über Liebe und Macht. Ihre Augenlider glitzern silbern. Sie ist gleichzeitig erstaunlich souverän und sehr verletzlich. Als ein Junge im Publikum ihr ein übles Schimpfwort zuruft, was sie trifft wie ein Schlag und für einen Moment verstummen lässt, greift niemand ein.

Sexistische Übergriffe und Zwischentöne kommen immer wieder vor im Alltag der 17-Jährigen, die in einer Provinzstadt im US-Bundesstaat Pennsylvania zur Schule geht und mit ihrer Cousine Skylar (Talia Ryder) im Supermarkt jobbt.

Die US-amerikanische Independent-Regisseurin Eliza Hittman macht die schleichenden Diskriminierungen sichtbar, die wiederkehrenden Übergriffe auf das Selbstwertgefühl junger Frauen. Autumns Vater macht sie permanent herunter. Wie sie sich ein Nasenpiercing sticht, ist schon beim Zuschauen kaum erträglich und deutet an, dass sie bereit ist, sich auch selbst Schmerz zuzufügen.

Als die Jugendliche erfährt, dass sie schwanger ist, helfen die Beratungsstellen in ihrer Stadt ihr nicht weiter. Im Internet findet sie heraus, dass es in New York eine Klinik gibt, die Schwangerschaftsabbrüche vornimmt. Skylar ist sofort zur Stelle und begleitet sie. Das ist ein glücklicher Zufall, denn die beiden haben keine Netzwerke. Was (Frauen-)Solidarität bedeuten kann, hat ihnen niemand vorgelebt.

Mit dem Einsteigen in den Bus nach New York steigert sich die Unsicherheit noch. Von nun an bewegen sich die beiden in teils recht unwirtlichen Transiträumen wie Wartehallen, Bushaltestellen, U-Bahn-Stationen und Schnellimbissen, solange sie überhaupt noch Geld haben. Draußen ist es winterlich, und Autumn müsste sich doch eigentlich ausruhen vor dem Eingriff. New Yorks Glamour geht komplett an den beiden Jugendlichen vorbei. Ein Highlight für Autumn ist eine einfühlsame Sozialberaterin. Und doch wachsen beide Mädchen mit jeder neuen Krise fast beiläufig über sich hinaus, auch dann, als sie unvorhergesehenerweise zwei Nächte in der riesigen, fremden Stadt verbringen müssen.


Begleitet einfühlsam und realistisch eine 17-Jährige durch eine Krise. Macht klar, was für ein hartes Pflaster die USA derzeit sind.

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