In den Gängen

In den Gängen

Große Gefühle zwischen Dosensuppen und Kühlregalen: Eine Liebesgeschichte mit Franz Rogowski im Neonlicht des Großhandels.

24.05.2018

Von Madeleine Wegner

In den Gängen
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Die Tiefkühlkostabteilung heißt hier „Sibirien“. Die Becken, in denen dicke, lebende Fische bis zum Verkauf nach Luft schnappen, heißen „das Meer“. Die Großhandelshalle ist eine Welt für sich. Ihr Rhythmus wird nicht von Tag und Nacht, sondern vom Licht der Neonröhren bestimmt. In diese Welt taucht der wortkarge Christian (Franz Rogowski) als Neuling ein. Er findet sich schnell zurecht, auch dank Bruno (Peter Kurth) von der Getränkeabteilung. Der gibt sich zunächst zwar kauzig mürrisch, offenbart jedoch schnell ein großes Herz.

Auf der anderen Seite des Hochregals arbeitet Marion (Sandra Hüller) – in der Süßwarenabteilung. Christian ist von Marions Anblick vom ersten Moment an wie berauscht. Doch nicht nur über dieser Liebesgeschichte liegt ein trübender Schleier, über dem ganzen Großmarkt schwebt eine schwer zu fassende Schwermut.

Ob die Waren im Regal oder das eigene Leben: Die Menschen, die in diesem Großmarkt arbeiten, versuchen, Ordnung reinzubringen (und folgen dabei ganz eigenen Regeln). Doch zwischen den Regalen, in den Gängen, weht eine unbestimmte Sehnsucht. Bezeichnend ist ein Dialog zwischen Christian und Marion: „Was wünscht du dir?“ – „Alles.“

Die Mitarbeiter hier, irgendwo bei Delitzsch, versuchen zumindest, sich gegenseitig Halt zu geben. Eine Form des Zusammenhalts, die die Wende überstanden hat. Vieles wirkt wie in den 90er-Jahren, die Reklame, der Kaffeeautomat, auch die Wunden der Wende sind bei manchen noch frisch. Regisseur Thomas Stuber hat mit „In den Gängen“ eine Kurzgeschichte von Clemens Meyer verfilmt. Beide sind in der DDR geboren.

Stuber beobachtet und begleitet die Figuren in seinem Film mit zärtlichem Blick. Peter Matjasko fängt die Geschichte in bemerkenswerten und poetischen Bildern ein. Der Film lief im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale. Der ehemalige Tübinger Rogowski erhielt kürzlich für seine Rolle den Deutschen Filmpreis als bester Hauptdarsteller. Zusammen mit Sandra Hüller („Toni Erdmann“) bildet er ein eigenwilliges filmisches Traumpaar. Besonders überzeugend ist jedoch Peter Kurth in der Rolle des gutmütigen, im Innersten gebrochenen Bruno.

Letztlich bleiben sich die Figuren untereinander, aber oft auch dem Zuschauer gegenüber seltsam fremd. Das Neon-Licht in einem Großmarkt ist trotz aller menschlichen Wärme eben doch kalt.

Nichts für Fans von großen Happy Ends. Langsam erzählte, lakonische Liebesgeschichte im kühlen Neon-Licht.

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Erstellt:
24.05.2018, 10:23 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 09sec
zuletzt aktualisiert: 24.05.2018, 10:23 Uhr

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