High Life

High Life

Als letzte Überlebende steuern Monte und seine kleine Tochter in einem Raumschiff auf ein schwarzes Loch und damit auf das Ende von Zeit und Raum zu.

27.05.2019

Von Dorothee Hermann

Eine seltsame Unterwasserwelt entfaltet sich vor der Kamera. Sofort ist man verunsichert: Ist das nun die Tiefsee oder der Weltraum? Auf den zweiten Blick erkennt man in den sich sacht regenden Gewächsen den Gemüsegarten eines Raumschiffs. Draußen, in den schwarzen Weiten des Alls, macht sich ein Mann im Raumanzug an der silbrigen Außenhaut zu schaffen. Drinnen wird ein Kleinkind immer untröstlicher, obwohl der Astronaut es geduldig zu beruhigen versucht.

Die beiden scheinen die einzigen Passagiere zu sein. Der behelfsmäßig angelegte Garten ist ein Eden aus zweiter Hand, das immerhin Gemüse für den Kinderbrei abwirft. Mit wachsender Beklemmung fragt man sich, wo die übrige Besatzung abgeblieben ist, deren Raumanzüge noch im Korridor hängen.

In flash-ähnlichen Rückblenden blitzt auf, was aus ihnen geworden ist: Sie waren eine Gruppe von Kriminellen, die angeblich im Dienst der Wissenschaft einfach ins All geschossen wurde. Mit an Bord ist die durchgeknallte Reproduktionsmedizinerin Dibs (eine Glanzrolle für Juliette Binoche). Sie will unter den Extrembedingungen ein Kind produzieren und aufziehen, in einem Umfeld, in dem unbefangene menschliche Beziehungen nicht möglich sind, von Liebe oder Erotik ganz zu schweigen. Als Nebeneffekt brechen stereotype Rollen auf, und nicht nur die, sondern auch der schlafende Schöne wird zum Objekt der Begierde.

Das Ausgesetztsein im All potenziert das Eingesperrtsein, wie es Gefangenen aufgezwungen ist. Auch Rückblenden auf die Erde erlauben nur scheinbar ein Atemholen. Denn die französische Regisseurin Claire Denis („Beau Travail“, „Meine schöne innere Sonne“) interessiert sich schon immer dafür, wie Menschen sich verhalten, wenn sie einander extrem, also in ihrer Körperlichkeit, ausgeliefert sind. In ihrem vor psychologischer Spannung vibrierendem Weltraumabenteuer half der Künstler Olafur Eliasson bei der Gestaltung der interstellaren Lichteffekte.

Verlegt beklemmend irres Endzeit-Szenario ins All, wo die letzten Menschen vielleicht die ersten sein dürfen.

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