Gelobt sei Gott

Gelobt sei Gott

Alexandre will sein Schweigen brechen, nachdem er erfährt, dass der Priester, der ihn missbraucht hat, immer noch mit Kindern arbeitet.

23.09.2019

Von Dorothee Hermann

Alexandre (Melvil Poupaud) ist bürgerlich-katholisch bis in die Haarspitzen und geht jeden Sonntag zur Messe. Als er zufällig erfährt, dass der Priester, der ihn einst im Pfadfinderlager sexuell misshandelte, noch immer mit Kindern arbeitet, versucht er, das katholische Establishment von Lyon aufzurütteln.

Doch der Bilderbuch-Familienmensch und Vater von fünf Kindern läuft gegen eine Wand. Immer wieder wird er im prunkvollen Bistumsgebäude zwar empfangen, aber zugleich elegant abgewimmelt. Statt einer Aufarbeitung und der Einschaltung der Justiz erlebt Alexandre bis hinauf zum Kardinal eine offenbar bestens eingeübte Hinhaltetaktik. Allenfalls schleimige Versöhnungsangebote werden ihm offeriert – als wäre die erfahrene sexualisierte Gewalt ein privates Problem zwischen ihm und dem Täter.

Als es dennoch zum arrangierten Treffen mit dem ehemaligen Peiniger kommt, verhält sich der Geistliche (Bernard Verley als Pater Bernard Preynat) bereits bei der Begrüßung so übergriffig wie eh und je: Er duzt Alexandre umstandslos und katapultiert ihn emotional zurück in die einstige Position kindlicher Abhängigkeit, in der er den Übergriffen des Priesters hilflos ausgesetzt war. Zugleich weist dieser sich mit seiner salbungsvollen Art nach wie vor die übergeordnete Position zu, in der er sich auch von seiner Institution geschützt weiß.

Der französische Regisseur François Ozon („Swimming Pool“, „8 Frauen“) hat einen der aufsehenerregendsten kirchlichen Missbrauchsskandale der letzten Jahre aufgegriffen. Sein einfühlsamer, sorgfältig recherchierter Film über die mittlerweile erwachsenen Opfer trug ihm bei der Berlinale einen Silbernen Bären ein. Nur mühsam befreien sich die Männer aus Scham und Vereinzelung, um schließlich gemeinsam die Mauer des Schweigens aufzubrechen.

Alexandre hatte dem kriminellen Treiben des Priesters nach seinen damaligen Möglichkeiten ein Ende gesetzt, indem er bei den Pfadfindern austrat – und damit den Verlust sozialer Kontakte riskiert. Zum Gesicht der Kampagne gegen den Täter will er trotzdem nicht werden. Diese Rolle übernimmt der warmherzige François (Denis Ménochet), ein Bär von einem Mann, mit dem sich auch das emotionale Klima des Films sofort verändert und ins Hoffnungsvolle dreht. François‘ älterer Bruder Louis fühlte sich schon als Kind ewig zurückgesetzt gegenüber dem Jüngeren und fürchtete um sein Sommercamp in Irland: „Von mir will Pater Bernard nichts. Er interessiert sich nur für die Kleinen“, sagt er in einer der gelegentlichen Rückblenden, die auch beleuchten, wie sich die Verbrechen in kirchlicher Verantwortung auf das jeweilige Familiengefüge auswirkten.

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